Torgauer Zeitung
Lokalgeschehen Montag, 1. November 2010
Schildau (TZ). „Es gibt kuriose historische Zufälle. Ausgerechnet zum 250. Geburtstag August Neidhardt von Gneisenaus, der einst für die Wehrpflicht in Preußen stritt, wird die Wehrpflicht in Deutschland aufgehoben.“
So begann der Potsdamer Militärhistoriker, Autor und Lektor, Dr. phil. Frank Bauer, seine Festrede gestern auf dem Marktplatz in Schildau und bezeichnete diese Tatsache als ein schönes Festtagsgeschenk. „Zumal an den verehrten General, der zu jenen Militärs im Umkreis der preußischen Reformer Hardenberg, Stein und Humboldt gehörte, auf die sich die Bundeswehr gern beruft. An Scharnhorsts 200. Geburtstag ist sie 1955 offiziell gegründet worden – Männer wie er und Gneisenau verkörperten damals die einzige militärische Tradition, an die man noch halbwegs unverfänglich anschließen konnte.“
In seiner Festrede beschrieb der Historiker Dr. Frank Bauer kenntnisreich und detailliert das Leben des großen Sohnes der Stadt Schildau. Mit Erstaunen wird mancher Zuhörer ausgewählte Passagen zur Kenntnis genommen haben, wie etwa die, dass Gneisenau schon 1818 die Einführung einer Verfassung für notwendig erachtete, welche „öffentliche Gerichtsverfahren, Pressefreiheit, Abschaffung der geheimen Polizei und der Postkontrolle sowie die Verantwortlichkeit der Machtgeber garantieren“ sollte.
Kein Blatt vor den Mund nahm der Redner, als er zum Thema Gneisenau-Ehrung im wiedervereinigten Deutschland kam: „Sein 250. Geburtstag wird von offizieller Stelle nicht zur Kenntnis genommen. Nur wenige Presseorgane widmen ihm einen Artikel, geschweige denn, es findet eine offizielle Ehrung statt. Das bleibt Vereinen wie der Generalfeldmarschall Graf Neidhardt von Gneisenau-Gesellschaft Sommerschenburg, der Privilegierten Schützengilde Schildau, den kleinen Museen in Schildau und Sommerschenburg sowie an deutscher und preußischer Geschichte interessierten Personen vorbehalten.“ Das Gneisenaumuseum war gut besucht, wo es entsprechend des Anlasses als Leihgabe das originale Kirchenbuch mit der Eintragung der Geburt des großen Schildauers zu sehen gab.