Beiträge und Pressemitteilungen zum Generalfeldmarschall Graf Neidhardt von Gneisenau

Festrede Schildau 31.10.2010

Napoleons Meisterschüler
Ein Porträt des legendären preußischen Militärreformers und Generals August Neidhardt von Gneisenau, der vor 250 Jahren geboren wurde.


Es gibt kuriose historische Zufälle. Wie diesen hier: Ausgerechnet zum 250. Geburtstag August Neidhardt von Gneisenaus, der einst für die Wehrpflicht in Preußen stritt, wird die Wehrpflicht in Deutschland aufgehoben. Ein schönes Festtagsgeschenk! Zumal an den verehrten General, der zu jenen Militärs im Umkreis der preußischen Reformer Hardenberg, Stein und Humboldt gehörte, auf die sich die Bundeswehr gern beruft. An Scharnhorsts 200. Geburtstag ist sie 1955 offiziell gegründet worden – Männer wie er und Gneisenau verkörperten damals die einzige militärische Tradition, an die man noch halbwegs unverfänglich anschließen konnte.

Gneisenau zählt neben Gerhard Scharnhorst und Carl von Clausewitz zu den bedeutendsten Militärreformern Preußens, vor allem aber: Er ist der einzige echte Kriegsheld unter ihnen. Doch sooft man seine Taten im Kampf gegen Napoleon beschrieben hat, so wenig wurde über seine Herkunft und Jugend bekannt.

Er ist als Kind des Mars geboren, mitten im Siebenjährigen Krieg, am 27. Oktober 1760, sozusagen auf der Durchfahrt durch Schildau, im nur wenige Schritte von unserem Versammlungsplatz entfernten Gebäude des damaligen Gasthofes „Zur Weintraube“, wo er noch am Abend vom evangelischen Ortspfarrer Tittmann in der Schildauer Kirche in Ggenwart von 5 Taufzeugen getauft wurde. Gneisenaus Vater August Wilhelm Neidhardt gehört als Artillerieleutnant der sogenannten Reichsarmee an, die aus Kontingenten der kleineren deutschen Staaten bestand. Seine Frau Maria Eva ist ihm ins Feld gefolgt. Sie stirbt ein Jahr später in Fürth, da ist der Junge schon in der Obhut einer Schildauer Pflegefamilie.

Der Kleine lebt in Armut, barfuß soll er die Gänse gehütet haben. Doch 1767 ändert sich sein Leben. Sein Großvater mütterlicherseits, Artillerieoffizier und Festungsbaumeister in Würzburg, holt ihn zu sich und lässt ihn die Jesuitenschule besuchen. Weit mehr als der Unterricht indes fesseln den Jungen die Erzählungen eines Pfarrers, der bei den Großeltern wohnt. Der gelehrte Untermieter leiht dem Knaben Bücher und erschließt ihm die Welt der Klassiker.

1771 stirbt der Großvater, Gneisenau kommt nach Erfurt, wo sein Vater mittlerweile als Architekt arbeitet. Hier besucht er die Kaufmannsschule und das Ratsgymnasium. 1777 beginnt er an Erfurts Universität zu studieren. Er ist als stud. phil. eingeschrieben, befasst sich jedoch mit militärischer Mathematik und mit der Baukunst. Nach einem Jahr bricht er das Studium ab und tritt als gemeiner Soldat in das österreichische Husarenregiment von Wurmser ein, das in Erfurt stationiert ist. Bald wechselt er in das Jägerbataillon des Markgrafen von Ansbach-Bayreuth, 1781 erhält er das Patent als Unterleutnant. Sein Vater hat sich indessen einen etwas windigen Adelstitel zugelegt: »Neidhardt von Gneisenau«. Der Sohn übernimmt ihn.

Der Siebenjährige Krieg ist lange vorbei, doch Soldaten bleiben begehrte Ware. Gneisenaus neuer »Kriegsherr« vermietet, wie andere Duodezfürsten auch, seine Soldaten an die Briten, die sie im Unabhängigkeitskrieg in ihren amerikanischen Kolonien einsetzen. So kommt Gneisenau 1782 in die Neue Welt. Doch zu spät für einen Einsatz – die Engländer sind schon besiegt. Ein Jahr lang hält er sich in Halifax und Quebec auf, dann kehrt er in die Heimat zurück. Ende 1785 richtet er an Friedrich II., den Alten Fritz, die Bitte, in dessen Armee aufgenommen zu werden. Dieser stimmt im Frühjahr 1786 zu und empfängt ihn in Potsdam. Es ist der Beginn einer erstaunlichen Karriere.

Zunächst freilich geht es in die Provinz. Löwenberg heißt das Städtchen, eine Garnison in Schlesien. Hier bildet sich der abgebrochene Studiosus neben seinem Dienst in einem Füsilierbataillon mit eiserner Zielstrebigkeit weiter. Er lernt Französisch, Englisch und Italienisch, befasst sich mit Geschichte, studiert Kant und Pestalozzi – und tritt den Freimaurern bei. An den Feldzügen gegen Frankreich nimmt er nicht teil. 1795 wird er zum Kompaniechef ernannt; ein Jahr später heiratet er die zwölf Jahre jüngere, recht vermögende Karoline von Kottwitz. Sie kauft das schlesische Landgut Mittel-Kauffung, wo die Familie in ländlicher Idylle lebt – Gneisenau brennt Kartoffelschnaps.

Wie immer er, der junge Mann aus dem Volke, den Beginn der Revolution in Frankreich mit ihren Freiheitsversprechungen auch empfunden haben mag, spätestens seit 1798 steht der Offizier ihr skeptisch und ablehnend gegenüber. Und doch bewundert er die Kraftentfaltung der französischen Nation durch diese Revolution. Mit leidenschaftlichem Interesse verfolgt er die Feldzüge und die Siege unter der Führung Napoleons. Er erkennt in dem Korsen aber rasch den Tyrannen und ahnt, dass er Preußen über kurz oder lang herausfordern wird. Gleichwohl imponiert ihm Napoleon, der sich 1804 selber zum Kaiser krönt. Viele Jahre später bekennt er: »Bonaparte war mein Lehrer in Krieg und Politik.«

1806 schlägt Preußen die Stunde: Die preußische Armee rückt gegen Napoleons Truppen vor. Am 10. Oktober nimmt Gneisenau bei Saalfeld zum ersten Mal an einem Gefecht teil. Die Franzosen gehen gegen die starren Linien der Preußen und Sachsen mit Schützen (tirailleurs) vor. Da löst Gneisenau kurzerhand die Linie seiner Kompanie auf. Er setzt seine Soldaten ebenfalls in Schützenschwärmen ein – die Franzosen kommen nicht mehr voran.

Doch was half es? Vier Tage später erlebt Gneisenau bei Jena den Untergang der preußischen Armee. Er kann fliehen, will nach Königsberg, wohin König Friedrich Wilhelm III. bereits geflüchtet ist. Anfang Dezember trifft Gneisenau hier ein. Kurz zuvor hat er eine Denkschrift verfasst, in der er die Gründe für die Katastrophe benennt: die Unfähigkeit des Oberbefehlshabers und vieler hoher Offiziere, schlechte Bewaffnung, niedrige Kampfmoral, das mangelhafte Rekrutierungssystem.

Gneisenau wird zum Major befördert, im April 1807 zum Kommandanten der pommerschen Festung Kolberg an der Ostsee ernannt. Da sind die stärksten preußischen Bollwerke wie Magdeburg und Küstrin lange schon kampflos dem Feind übergeben und nur ganz wenige Festungen noch in preußischer Hand. Die Garnison Kolberg wird auf 5000 Mann verstärkt. Gneisenau hat nun eine Position inne, die eigentlich Generalen vorbehalten ist. Die Belagerer zählen schließlich 14.000 Mann, darunter nur wenige Franzosen: Das Gros stellen Italiener, Polen, Holländer – und Deutsche aus den Rheinbundstaaten.

Der Kommandant versteht es, die Belagerer durch Ausfälle Tag und Nacht in Atem zu halten. Weit außerhalb der Festungswälle lässt er Feldschanzen errichten, die er mit zwei Dritteln seiner Kanonen bestückt. Wochenlang rennen die Belagerer dagegen an. Als am 25. Juni 1807 in Tilsit der Waffenstillstand in Kraft tritt, sind sie noch nicht einmal bis an die Festungswälle herangekommen.

Mit dem Ruhm von Kolberg wird Gneisenau binnen Kurzem ein populärer Mann. Ungeduldig sehnt er den künftigen Befreiungskrieg herbei. Er hat begriffen: Die Fremdherrschaft kann nur dann gebrochen werden, wenn es gelingt, in Preußen die gleichen Kraftquellen zu erschließen, welche die Revolution in Frankreich zum Sprudeln gebracht hat. Noch in Kolberg schreibt er eine Betrachtung über die Revolution nieder. »Ein Grund hat Frankreich«, notiert er, »besonders auf diese Stufe von Größe gehoben: Die Revolution hat alle Kräfte geweckt und jeder Kraft einen ihr angemessenen Wirkungskreis gegeben. Dadurch kamen an die Spitzen der Armeen Helden, an die ersten Stellen der Verwaltung Staatsmänner und endlich an die Spitze eines großen Volkes der größte Mensch aus seiner Mitte.«

Doch nach dem Debakel von Jena und Auerstedt ist auch dem ängstlich um die Wahrung des Ancien Régime besorgten Friedrich Wilhelm klar: Ohne tief greifende Veränderungen in Staat, Wirtschaft und Militär wird Preußen nicht überleben. Schweren Herzens überträgt er die Verantwortung für das Werk tatkräftigen Reformern. Im Juli 1807 beruft er den General Gerhard von Scharnhorst an die Spitze einer »Militärreorganisationskommission«, im Oktober den Freiherrn vom Stein zum Regierungschef.

Auch Gneisenau wird Mitglied dieser Kommission. Zudem überträgt man ihm eine Reihe weiterer Aufgaben: Er bleibt (bis 1808) Kommandant von Kolberg, gehört zu einer zweiten Kommission, welche den Feldzug 1806/07 untersuchen soll, und noch zu einer dritten, die ein neues Exerzierreglement ausarbeitet. Außerdem wird er Inspekteur aller Festungen und Chef des Ingenieurkorps. Die Arbeitsbelastung ist immens, Mittel-Kauffung mit Frau und Kindern sieht er oft monatelang nicht wieder.

Anders als der bedächtige, nüchterne Scharnhorst zeigt Gneisenau gern sein feuriges Temperament, entwickelt viel Fantasie – und mitreißende Beredsamkeit. Beide sind sie keine gebürtigen Preußen, doch in ihrer Sorge um die darniederliegende neue Heimat eins.

Kernziel ihrer geplanten Reform bleibt die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. In Preußen gilt ein Vorläufer, die Kantonspflicht, von der aber fast die gesamte städtische Bevölkerung befreit ist. Allerdings: Ohne die Aufhebung der entwürdigenden Prügelstrafe wird das Bürgertum die Wehrpflicht nie akzeptieren. Die konservativen Mitglieder der Militärreorganisationskommission aber, sogar Stein selbst, wollen diese Strafe, die ja nicht nur in Preußen Usus ist, aufrechterhalten. Da zögert Gneisenau nicht länger: Eigenmächtig schafft er in Kolberg die Prügelstrafe ab. Und am 9. Juli 1808 veröffentlicht er in der Königsberger Wochenzeitung Der Volksfreund anonym seinen berühmten Artikel Freiheit des Rückens. Es gelte, so schreibt er mit Blick auf eine allgemeine Wehrpflicht, »wohlerzogene junge Männer vor der Möglichkeit zu schützen, von übelwollenden Vorgesetzten mißhandelt zu werden«.

Der König aber will sie nicht, die Wehrpflicht. Zu sehr haftet an ihr der Ruch der Revolution. Außerdem ist sie gegen Napoleon ohnehin nicht durchzusetzen. Erst 1813/14, als der Kaiser der Franzosen besiegt ist, wird sie dann doch noch eingeführt.

Trotz dieses Rückschlags schreitet die Militärreform voran. Die Offizierslaufbahn wird für Bürgerliche geöffnet, die Werbung ausländischer Söldner eingestellt, Organisation und Taktik des Heeres werden nach französischem Vorbild modernisiert. Und endlich scheint sich auch, im Jahre 1809, für Preußen eine Chance auf den Befreiungskampf zu bieten.

Stein, Scharnhorst und ganz besonders Gneisenau drängen Friedrich Wilhelm, sich mit Österreich zu verbünden und das Zeichen für einen Volksaufstand zu geben. Gneisenau will einen Guerillakrieg nach spanischem Muster. Er schlägt sogar vor, dass Adlige, die sich im Befreiungskrieg nicht bewähren, ihre Titel verlieren sollen! Doch der König lehnt ab, das militärische Risiko ist viel zu groß.

Gneisenau nimmt seinen Abschied. Er reist nach Österreich, England, Schweden und Russland. Im März 1811 kehrt er nach Berlin zurück. Formell tritt er in den Zivildienst ein. Und schon entwirft er einen neuen, detaillierteren Plan für einen Volkskrieg. Wiederum lehnt der König ab. Im Februar 1812 schließt Friedrich Wilhelm sogar ein Bündnis mit Napoleon und verpflichtet sich, ein Korps von 20.000 Soldaten zum Feldzug gegen Russland zu stellen.
Gneisenau wird aus dem Staatsdienst entlassen. Aber er bleibt umtriebig. Mit geheimen Aufträgen des neuen Regierungschefs Hardenberg reist er nach Wien, Stockholm und London. Im Mai 1812 führt er in Wilna mehrere Gespräche mit Zar Alexander I. Beide geben sich in ihrer Einschätzung Napoleons keinen Illusionen hin.

Doch wie rasch wendet sich das Blatt! Wenige Monate später schon irrt die Grande Armée zerschlagen über die Schneefelder Russlands. Im Februar 1813 kehrt Gneisenau nach Preußen zurück. Der König, von allen Seiten gedrängt, schließt ein Bündnis mit dem Zaren und erklärt Frankreich den Krieg. General Gebhard Leberecht von Blücher erhält den Oberbefehl. Scharnhorst wird sein erster Generalstabsoffizier, Generalmajor Gneisenau sein zweiter.

Napoleon ist geschlagen, doch nicht besiegt. Zweimal bezwingen seine  Truppen im Frühjahr bei Großgörschen und Bautzen die russisch-preußische Armee. Vom 1. Juli bis 17. August gilt ein Waffenstillstand. In dieser Zeit schließen sich Österreich, Großbritannien und Schweden der russisch-preußischen Koalition an. Im Herbstfeldzug operieren die Verbündeten mit drei Armeen. Die 105.000 Mann starke russisch-preußische Schlesische Armee wird von Blücher befehligt. Sein Stabschef heißt nach dem Tod Scharnhorsts Gneisenau.

Die Schlesische Armee entscheidet durch ihre kühnen Operationen, von Gneisenau geplant, den Feldzug. Am 3. Oktober überschreitet sie südlich von Wittenberg die Elbe und bedroht die rückwärtigen Verbindungen Napoleons. Dieser zieht seine Truppen in Richtung Leipzig zurück, die drei Heere der Verbündeten folgen ihm. In der mörderischen »Völkerschlacht« bei Leipzig erringen sie den entscheidenden Sieg.

Die Leistungen Gneisenaus bleiben nicht unbelohnt. Am 19. Oktober würdigen Zar Alexander, der österreichische Kaiser Franz I. und der Oberbefehlshaber der Alliierten, Karl Philipp Fürst Schwarzenberg, in Leipzig überschwänglich den Helden. Sein fischblütiger König indes, der dabeisteht, findet für den General kein Wort der Anerkennung.

Zur Jahreswende überschreiten die Heere der Verbündeten den Rhein. Am 31. März 1814 ziehen sie nach schweren Kämpfen in Paris ein; Napoleon wird nach Elba verbannt. Aber ein Jahr später, im März 1815, ist er wieder da. Erneut ergreift er die Macht. Die Alliierten stellen ihm in Belgien zwei Armeen entgegen – eine britisch-niederländisch-deutsche unter dem Herzog Arthur Wellington und eine preußische unter Blücher mit Gneisenau als Stabschef.

Bei Ligny greift Napoleon die Preußen an – und triumphiert. Ist das Glück zu ihm zurückgekehrt? Zwei Tage darauf, am 18. Juni, wendet er sich gegen Wellington. Am Nachmittag scheint auch hier, bei Waterloo, ein Sieg greifbar nahe. Napoleon hat erwartet, dass die geschlagenen Preußen sich auf ihre Versorgungsbasis Lüttich zurückziehen. Doch Gneisenau, der für den verwundeten Blücher entscheiden muss, dirigiert die Truppen auf Wellington zu. So gerät Napoleons Armee gewissermaßen zwischen zwei Mühlsteine, ihr Schicksal ist entschieden.

Gneisenau bleibt nach der Verbannung Napoleons nach St. Helena im Westen, im Rheinland, das der Wiener Kongress Preußen zugesprochen hat. Ende 1815 wird er zum Kommandierenden General in Koblenz ernannt. Er mag das Land am Strom, die Menschen dort. Seine liberale Gesinnung, seine umgängliche Art, seine Großzügigkeit machen ihn schnell populär. Er schart einen Kreis Gleichgesinnter um sich, darunter Clausewitz, den Freiherrn vom Stein und die Dichter Max von Schenkendorf und Sixt von Arnim.

Schließlich aber nimmt er ein zweites Mal seinen Abschied aus der Armee. Er ist gekränkt. Reaktionäre Kreise in Berlin denunzieren ihn beim König als angeblichen Jakobiner. »Wallensteins Lager« nennen sie sein Koblenzer Hauptquartier, und Preußens Geheimpolizei durchschnüffelt seine Briefe.

Ein absurder Vorwurf. Denn natürlich ist der General ein königstreuer Preuße. Er sei bereit, schreibt er 1817 an Freund Clausewitz, »alles niedertreten zu helfen, was von Demokratismus in widerrechtlicher Weise sich erheben wollte«. Und doch bleibt er seinen liberalen Grundsätzen treu. So äußert er auch weiterhin in seinen Briefen (von denen er ja weiß, dass sie geöffnet werden), er halte die Einführung einer Verfassung für notwendig – die der König zugesagt, dann aber hintertrieben hat. Diese Verfassung, so schreibt Gneisenau im Jahre 1818, solle garantieren: öffentliche Gerichtsverfahren, Pressefreiheit, Abschaffung der geheimen Polizei und der Postkontrolle, »Verantwortlichkeit der Machtgeber«.

Um den populären General wieder zu versöhnen, verfolgt der Hof eine Doppelstrategie. Zum einen erhebt man den Mann von vagem Adel in den Grafenstand, er erhält das Gut Sommerschenburg als Geschenk und wird 1825 zum Generalfeldmarschall befördert. Andererseits ernennt man ihn zum Mitglied des Staatsrats, Gouverneur von Berlin und Präses der Ober-Militär-Examinationskommission – allesamt Ämter ohne politische Bedeutung, Abschiebeposten.

Er akzeptiert es, halb geehrt, halb desillusioniert, und lässt sich, fast 70 Jahre alt, noch einmal in die Pflicht nehmen. Im November 1830, nach der Revolution in Frankreich und anderen Ländern Europas, erheben sich die Polen gegen die Zarenherrschaft. Preußen, stets um Russlands Wohlwollen bemüht, mobilisiert vier Armeekorps. Unter dem Kommando des alten Generals soll die Ostgrenze abgeriegelt und ein Übergreifen der Erhebung verhindert werden. Während der Kampagne greift die Cholera um sich. Zu ihren Opfern gehört am 23. August 1831 in Posen auch August Neidhardt von Gneisenau.

So abgefeimt und feindselig reaktionäre Kreise um Friedrich Wilhelm einst gegen ihn intrigiert hatten, so einhellig wurde er später vereinnahmt. Preußen und dann das Kaiserreich feierten ihn als den wahren »Überwinder« Napoleons. 1906 wurde ein Panzerkreuzer auf seinen Namen getauft, im »Dritten Reich« ein Schlachtschiff. Und Propagandaminister Joseph Goebbels ließ Gneisenau in Veit Harlans Monumentalfilm Kolberg als Vorbild für seinen angeblich »fanatischen« Widerstandswillen glorifizieren. Das war im Januar 1945.

Nach dem Krieg berief sich nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Nationale Volksarmee der DDR auf den legendären General. Nahm er für die eine die »Innere Führung« vorweg, so war er für die andere ein Bannerträger des historischen Fortschritts.

Im wiedervereinigten Deutschland ist er aber inzwischen fast ins totale Abseits geraten. Seinen 250. Geburtstag nimmt von offizieller Stelle überhaupt nicht zur Kenntnis. Nur wenige Presseorgane widmen ihm einen Artikel, geschweige denn es findet eine offizielle Ehrung statt. Das bleibt Vereinen wie der Generalfeldmarschall Graf Neidhardt von Gneisenau-Gesellschaft e.V. Sommerschenburg, der Priviligierten Schützengilde Schildau e.V. , den kleinen Museen in Schildau und Sommerschenburg sowie an deutscher und preußischer Geschichte interessierten Personen  vorbehalten.
Am vergangenen Mittwoch, Gneisenaus 250. Geburtstag, habe ich zusammen mit acht uniformierten Kameraden am von Christian Daniel Rauch geschaffenen Denkmal in der Grünanlage zwischen Deutscher Staatsoper und Prinzessinnenpalais aufgestellten Denkmal unseres verehrten Feldmarschalls einen Gedenkkranz niedergelegt. Trotz Information von Fernsehen, Presse, Bundeswehr und Politik erschien kein einziger Vertreter. Ob es wohl in Europa oder Ländern auf anderen Kontinenten einen ähnlichen Umgang mit großen Persönlichkeiten ihrer Geschichte gibt? Ich glaube bzw. weiß es, mit Sicherheit nicht!

Wir wollen nun heute in seiner Geburtsstadt ein wenig gegen die Geschichtsvergessenheit in unserem Land tun, in dem wir dieser großartigen Persönlichkeit gedenken und sie ehren.

In Ehrfurcht und Dankbarkeit wollen wir uns August Anton Wilhelm Neidhardt von Gneisenau, des späteren Grafen und Generalfeldmarschalls erinnern.