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Nach den Schlachten von Jena/Auerstedt und den feigen Kapitulationen wichtiger preußischer Festungen wie Erfurt, Minden, Kürstrin oder Magdeburg lag Preußen faktisch schutzlos vor Napoleon. Ohne nennenswerten Widerstand zu finden ergossen sich die französischen Armeen bis an die Ufer der Weichsel, wo sich die Russen mit den restlichen preußischen Truppen vereinigen sollten.
Schlesien blieb zunächst auf dem rechten Flügel der Feinde unbeachtet. Durch 8 Festungen und das Gebirge geschützt, konnte es mit seinen reichen Hilfsmitteln und seiner königstreuen Bevölkerung aber leicht zur Gefahr für die vorrückenden napoleonischen Truppen werden. Aber auch hier war nur wenig an Kriegsvorbereitungen geschehen. Noch nicht einmal 20.000 Mann standen in den 8 Festungen, davon die meisten Soldaten polnischstämmig, die jede Gelegenheit nutzten, um zu desertieren. Nur auf wenige war Verlaß. Die Festungen selber waren meistens in schlechtem Zustand. Die Werke waren teilweise verfallen, die Ausrüstung mit Geschützen unvollständig, Lebensmittel nur unzureichend vorhanden. Die Depots und Montierungskammern waren in den offenen Städten geblieben, denn niemand hatte damit gerechnet, daß die Feinde bis nach Schlesien vordringen könnten.
Theoretisch wäre bei einem raschen und energischen Handeln ein Nachholen des Versäumten möglich gewesen. Aber es fehlte en einer entsprechenden energischen Führung. Die damaligen Männer an der Spitze Schlesiens versagten fast alle. König Friedrich Wilhelm III. hatte am 25. 10. 1806 befohlen, die Festungen unverzüglich instand zu setzen. Aber Generalmajor v. Lindener als Brigadier der schlesischen Festungen versagte.
Napoleon erkannte die ihm von Schlesien drohende Gefahr für seine rechte Flanke und beauftragte seinen Bruder Jerome und später den General Vandamme mit der Eroberung dieser preußischen Provinz. Bereits am 6. 11. 1806 rückten die Feinde in Schlesien ein.
Auf die Nachricht hiervon floh der Minister v. Hoym aus Breslau nach Oberschlesien. Ganz anders zwei Brüder, die Freiherrn Heinrich und Ernst v. Lüttwitz, die zum König eilten und ihn auf die Bedeutung Schlesiens hinwiesen. Daraufhin wurde der Fürst Ferdinand zu Anhalt-Pleß zum Generalgouverneur von Schlesien ernannt und ihm Graf Götzen zur Unterstützung beigegeben. Ein Schreiben Friedrich Wilhelms III. vom 24. 11. 1806 rief alle Kommandeure der schlesischen Festungen zum ausdauernden Widerstand auf.
Nun begann eine energische und planvolle Tätigkeit, um noch zu retten, was zu retten war. Die Seele des Widerstandes war Graf Götzen, der im Mai 1807 selber zum Generalgouverneur ernannt wurde. Auf Umwegen, um den vom polnischen Aufstand erfassten Gebieten zu umgehen, war er am 1.12.1806 in Cosel eingetroffen. Hier erhielt er vom Kommandeur der Festung, Oberst v. Neumann, eine genaue Darstellung vom Zustand der Provinz Schlesien: Die Festungen wären nur notdürftig mit Lebensmitteln versehen, nur gegen einen Handstreich gesichert und kaum die nötigen Gelder für eine nachhaltige Verbesserung dieser Situation vorhanden. Es fehle an Geschützmaterial und Munition. Der Patriotismus der Schlesier sei auf jede Art niedergedrückt worden, die Rekruten wären entlassen, die Versprengten des Heeres abgewiesen worden.
Die Kavalleriedepots liefen ohne jede Anweisung, nur durch Gerüchte erschreckt, im Lande umher und hätten das rechte Oderufer ganz verlassen und dadurch Schlesien bis an die mährische Grenze den Plünderungen unbedeutender bayerischer und polnischer Insurgententrupps preisgegeben.
Graf v. Götzen befahl nun, daß alle Kavallerie-, Train- und Artilleriepferde, die sich östlich der Oder befanden, in die Nähe von Cosel zu bringen seien, um dort die brauchbaren auszusuchen. Er ordnete die Aushebung und Ausrüstung von Rekruten an. Dann ging er nach Breslau, um von dort aus weiter zu handeln und rief alle Schlesier in einem Aufruf zum energischen Widerstand auf.
Von Breslau eilte Götzen dann nach Neiße, um hier die Aufstellung von Reservetruppen zu leiten und die Verproviantierung der Festungen anzuordnen. Dann kehrte er nach Cosel zurück, wohin er eine Versammlung der Landstände und Steuerräte einberufen hatte. Ihnen erläuterte er seine Maßnahmen und fand volles Verständnis. Von Cosel aus gab er den Befehl über drei neugebildete Kavallerieabteilungen an Major v. Rumpf mit dem Auftrag, das rechte Oderufer vor den Streifzügen der polnischen Insurgenten zu schützen, was in kurzer Zeit auch gelang.
Kapitulation von Brieg 16.01.1807
Inzwischen rückten die Franzosen in Schlesien vor. Glogau, damals Sitz der Regierung, hatte als Übergangspunkt über die Oder zwar starke Befestigungen, fiel aber nach drei Wochen Widerstand bereits am 3.12.1806. Breslau ergab sich kurz danach am 5.1.1807, trotzdem Götzen einen Entsatzversuch unternommen hatte. Wenige Tage später fiel am 16.1.1807 die Festung Brieg. Am 23.1.1807 standen die Feinde vor Cosel. Zur gleichen Zeit wurden Schweidnitz und Neiße eingeschlossen.
Cosel war seit alter Zeit eine Festung. Eine befestigte Burg ist schon im 11. Jh. nachweisbar. Als Schlesien durch Friedrich den Großen erobert worden war, hatte dieser ursprünglich die Absicht, an der Neißemündung eine Festung anzulegen. Bei einer Besichtigung Oberschlesiens 1743 gab er den Plan auf und ließ lieber die Coseler Festungswerke bedeutend verstärken.
Belagerung von Glogau
Eroberung Breslaus
Die geographische Lage Cosels ist für eine Verteidigung sehr günstig und war damals noch viel günstiger, da die Oder nicht reguliert und die Sümpfe nicht trockengelegt waren. Der Nordosten war durch den vielfach gewundenen und in mehrere Arme geteilten Oderlauf geschützt. Die damalige alte Oder floß nördlich der Klodnitzer Redoute von Osten nach Westen und bildete mit der eigentlichen Oder eine Insel von fast viereckiger Gestalt. Eine zweite, kleinere Insel lag nordwestlich davon. Auf ihr befand sich später ein Gestüt. Das Terrain im Osten des Flusses wurde damals noch von einem Arm der Klodnitz durchschnitten, der in zahlreichen Windungen nach Nordwesten führte. Auch der Klodnitzkanal durchschnitt das Gelände und war für den angreifenden Feind ein Hindernis.
Im Westen und Süden der Stadt lag ein weites, teils Sumpf, teils Teiche enthaltendes Gebiet, das sich bis an den Rand des Odertals von Dembowa über Wiegschütz hinaus nach Nordwesten ausdehnte. Auch der Norden war unwegsam. Er war von kleinen Flussläufen durchschnitten und enthielt morastige Stellen und alte Lehmgruben.
Cosel 1807
Der Ausbau der Festung Cosel nach der 3. polnischen Teilung war bei Kriegsausbruch 1806 noch nicht vollendet. Von den Kasematten war zwar überall das Mauerwerk mit der Wölbung hergestellt, aber bei den meisten war die inner Einrichtung ganz oder teilweise unfertig. Die Unterstände für die Truppen und Geschütze hatten noch keinen Erdmantel. Die Rogauer Redoute war erst zu zwei Dritteln fertig. Auch beim Fort Friedrich Wilhelm fehlten noch die oberen Stockwerke. Aber dem tüchtigen Kommandanten v. Neumann gelang es, bis zum Eintreffen der Feinde die meisten Arbeiten zum Abschluß zu bringen. In einem Umkreis von 800 Schritt, vom Glacis der Festung an gerechnet, wurden alle Bäume, Häuser und Zäune abgeschlagen bzw. niedergerissen. Der Dembower und der Wiegschützer Damm wurden teilweise abgetragen, damit der Feind dahinter nicht ungestört seine Batterien aufstellen konnte. Die Wasserabläufe wurden verstopft, so daß das Gelände zwischen den Dämmen und dem Rande der Odertales im Südwesten unter Wasser gesetzt wurde.
Die Stadt hatte 5 Bastionen, zwischen denen die Befestigungslinien in 5 spitzen Winkeln vorsprangen. Die Spitzen wurde Saillants genannt. Die Namen der Bastionen und Saillants waren:
1. Ratiborer Bastion, 2. Saillant Wilhelm, 3. Reinschdorfer Bastion, 4. Saillant Heinrich, 5. Wiegschützer Bastion, 6. Saillant Friedrich, 7. Rogauer Bastion, 8. Saillant Ludwig, 9. Oderbastion, 10. Saillant Ferdinand.
Diese Hauptbefestigung war noch von einer Reihe von Außenwerken umgeben. Auf der großen Insel lagen die Klodnitzer und die Kobelwitzer Redoute (allseitig geschlossene Verschanzungen). Auf der kleineren Insel lag die Kalkschanze, und nördlich von ihr der befestigte Kopf der Oderbrücke. Jenseits des östlichen Armes der kleinen Oderinsel lag die Adlerredoute und noch weiter nach Osten vorgeschoben das Fort Friedrich Wilhelm. Nach Norden schob sich die Rogauer und nach Westen die Wiegschützer Redoute vor.
Das Fort Friedrich Wilhelm war ein sog. Montalembertscher Turm, von dem aber nur das erste Stockwerk fertiggestellt war, der zweite und dritte Stock fehlten noch.
Der frühere Odertor-Turm
Kommandant der Festung war Oberst David v. Neumann, der damals bereits 69 Jahre alt war (geb. 29. August 1734 in Königsberg – nicht in Wehlau, wie auf seinem Denkmal stand). Aber seine Tatkraft und Umsicht, vor allem aber seine Pflichttreue und Vaterlandsliebe waren vorbildlich. Im Siebenjährigen Krieg war er freiwillig ins preußische Heer eingetreten, und zwar ins Kleistsche Freikorps. Dort wurde er bald Adjutant des Chefs. Nach 1763 war er einer der wenigen Offiziere, die vom König nach Auflösung der Freikorps in die reguläre Armee übernommen wurden. Den Bayerischen Erbfolgekrieg machte er als Adjutant des
Generals v. Rothkirch mit und wurde 1779 geadelt. Im Rheinfeldzug König Friedrich Wilhelms II. war er General-quartiermeister bei General v. Knobelsdorff und erhielt den Orden pour le mérite. 1802 wurde er Kommandant von Cosel.Neben ihm hatte vor allem der damalige Hauptmann und Ingenieuroffizier Benjamin Keibel Bedeutung bei der Verteidigung der Festung. Er war Sohn eines Kaufmanns aus Pasewalk (Mecklenburg) und am 29.11.1770 geboren. Auch er besaß den Orden pour le mérite. Seit 1800 war er in Cosel und wirkte beim Festungsumbau. Im Januar 1807 war er vom Fürsten von Anhalt-Pleß zum Vizekommandanten der Festung ernannt worden. Von Oberst Neumann wurde er mit der Führung des Belagerungsjournals beauftragt.
Die Garnison bestand zu Beginn der Belagerung aus 4.249 Mann, 6.000 hätten es sein sollen. Den Stamm bildeten das 3. Musketierbataillon v. Pelchrzim mit 9 Offizieren und 911 Mann sowie das 3. Musketierbataillon v. Sanitz mit 15 Offizieren und 921 Mann. Die brauchbaren Leute beider Bataillone waren bei Beginn der Mobilmachung den beiden 1. Bataillonen ihrer Regimenter zugewiesen worden. Was zurückblieb, war wenig wert und unzuverlässig und wurde mit ebenso unzuverlässigen, gewaltsam ausgehobenen Leuten oder mit wieder eingezogenen alten und ausgedienten Soldaten aufgefüllt.
Weiterhin gehörten zur Garnison die beiden Nationalbataillone Falkenstein und Hahn mit je 14 Offizieren und 796 Mann. Diese Bataillone waren erst neu gebildet, hatten zum Teil weder Waffen noch Uniformen und galten als absolut unzuverlässig. Ihre Führer - die drei Hauptleute Wostrowski, Caspary und Lüttwitz – waren aber sehr tüchtig.
Das Dragonerdepot v. Osten zählte 1 Offizier und 82 Mann. Man hatte den Leuten die Pferde abgenommen, damit sie nicht desertierten. Außerdem existierte das Kürassierdepot v. Bünting mit 2 Offizieren und 141 Mann, von denen allerdings nur 40 beritten waren.
In der Festung gab es 139 Artilleristen mit 5 Offizieren. Zu ihrer Verstärkung hatte man 160 Infanteristen kommandiert, sowie 165 Rekruten, die als Handlanger und Trainknechte verwendet wurden. Kommandeur der Artillerie war Oberst v. Puttkammer, damals bereits 71 Jahre alt.
Außerdem gab es in Cosel noch zwei Invalidenkompanien mit 4 Offizieren und 118 Mann, die für den eigentlichen Dienst kaum brauchbar waren, sowie 3 Ingenieuroffiziere mit 20 Mineuren.
Die Festungswerke waren mit 229 Geschützen versehen, deren Lafetten teilweise schlecht waren. Geschosse gab es genügend, nur das Pulver war knapp. Es sollen 1.000 Zentner an der vorschriftsmäßigen Menge gefehlt haben. Proviant gab es nur für zwei Monate. Da die Besatzung aber nur 2/3 der vorgesehenen Stärke betrug, konnte der Vorrat drei Monate reichen.
Noch ehe es zur Belagerung kam, hatte ein Teil der Coseler Garnison Feindberührung. Das 3. Bataillon Pelchrzim hatte den Auftrag erhalten, sich am Entsatzversuch von Breslau zu beteiligen. Als dieser gescheitert war, sollte es nach Cosel zurückkehren. Als am 2.1.1807 bei Poborschau schon die Festung in Sicht war, glaubte der Bataillonskommandeur Major v. Brünnow sich schon in Sicherheit und schickte eine Abteilung nach Wiegschütz. Aber plötzlich wurde die Hauptmacht von einer feindlichen Abteilung, die unbemerkt auf Seitenwegen gefolgt war, überfallen und verlor 6 Offiziere, 61 Mann, 2 Kanonen und den gesamten Wagenpark. Ein ähnliches Schicksal hatten die herrschaftlichen Jäger, die in Cosel ein eigenes Korps von 115 Mann gebildet hatten. Sie wurden beim Entsatz von Breslau völlig zerstreut und nur wenige gelangten wieder nach Cosel, wo sie anderen Truppenteilen zugewiesen wurden.
Widerstand versprengter preußischer Truppen
Zu ersten Gefechten kam es nach der Übergabe von Brieg. Am 18.1. erhielt der bayerische General Deroy von Jerome den Befehl, mit seiner Division Cosel zu nehmen. Mit 6.000 Mann und 30 Geschützen rückte er über Dambrau und Proskau vor. Sein rechter Flügel wurde von der Kavalleriebrigade Mezanelli und den leichten Bataillonen Braun und Taxis gebildet. Die Hauptmacht bestand aus dem 5. und 10. bayerischen Linienregiment, dem 2. Bataillon des 4. Regiments und 3 Eskadrons Cheveauxlegers. Das 1. Bataillon des 4. Regiments folgte erst einige Tage später. Der linke Flügel unter Generalmajor v. Siebein rückte auf dem rechten Oderufer vor und bestand aus dem 1. Leibinfanterieregiment, 2 Eskadrons des 1. Dragonerregiments und der Batterie Petnos.
Mezanelli mit seiner Kavalleriebrigade sowie zwei leichte Bataillone und einige Geschütze wurden vorerst zur Beobachtung von Neiße nach Oberglogau gesandt.
Am 22.01.1807 erfuhr die Bevölkerung von Cosel vom Heranrücken der Feinde. Am 23.1., einem Freitag, erblickte man gegen 9.00 Uhr die ersten Feinde, die von Comorno her nach Wiegschütz, Reinschdorf und Kobelwitz marschierten. Auf dem rechten Oderufer erschienen sie gegen Mittag bei Klodnitz. Sobald man sie erblickte, begannen die Geschütze der Festung zu feuern. Man erzielte zwar einige Wirkung, konnte aber den Aufmarsch nicht ernsthaft behindern. Oberst v. Neumann musste aber feststellen, wie wenig er sich auf seine Truppen verlassen konnte, 4 Mann war es gelungen, zu desertieren.
Deroy hatte sein Hauptquartier nach Comorno, Siebein nach Januschkowitz verlegt. Am 24.1. um 10.00 Uhr erschien der bayerische Generalmajor v. Raglowich vor der Festung und verlangte den Kommandanten zu sprechen. Er wurde mit verbundenen Augen durch den Gouvernementsadjutanten v. Neumann, den Sohn des Kommandanten, zum Oberst gebracht. Dort wurde er von diesem und Ingenieurhauptmann Keibel empfangen und übergab die Aufforderung Deroys zur Kapitulation. Oberst Neumann lehnte ab und schrieb, daß er seinem Monarchen sein Ehrenwort gegeben habe, die ihm anvertraute Festung bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.
Die folgenden Tage verbrachte der Feind mit Erkundungen und der Errichtung von Batterien. In der Angriffslinie im Süden zwischen Kobelwitz und Reinschdorf sowie in den Linien Reinschdorf-Wiegschütz und Kobelwitz-Pogorzelletz entstanden 5 Batterien.
Die erste lag auf dem rechten Oderufer, genau in der Linie Kobelwitz-Pogorzelletz, da, wo die Oder rechtwinklig nach Nordosten abbiegt. Sie enthielt 4 Zwölfpfünder und war von der Kobelwitzer Redoute etwa 900 m entfernt. Die 2. Batterie entstand nördlich von Kobelwitz auf dem linken Oderufer, von der Redoute nur 450 m entfernt. Sie nahm 2 Zwölfpfünder, eine schwere und eine leichte Feldhaubitze auf.
Am Dembowaer Damm, ehe er bei der Statue des Hl. Nepomuk die Reinschdorfer Straße erreicht, wurde die 3. Batterie erbaut, die mit 4 Vierundzwanzigpfündern, 4 Mörsern und 2 schweren Haubitzen bestückt war. Zwei der 24pfünder sollten glühende Kugeln in die Stadt schleudern.
Die 4. und 5. Batterie befanden sich ziemlich nahe beieinander gegenüber der Wiegschützer Redoute am Rande des Odertales. Die 4. enthielt 2 Zwölfpfünder und 2 schwere Haubitzen, die 5. dann 4 Zwölfpfünder. Diese beiden Batterien wurden zuerst feuerbereit, da ein davor liegendes Erlengebüsch Sichtschutz bot, so daß auch am Tag gearbeitet werden konnte.
Als die Belagerer erkannten, von welcher Seite ein Angriff drohte, taten sie alles, um die Vorbereitungen des Feindes zu erschweren und aufzuhalten. Patrouillen wurden entsandt, in der Nacht warf man Leuchtkugeln, vor allem aber wurde ein heftiges Feuer nach den Batteriestellungen gerichtet. Man konnte die Arbeiten aber nur verzögern. Einen größeren Erfolg errang nur die Besatzung des Forts Friedrich Wilhelm, der es gelang, die Häuser von Klodnitz, in denen sich der Feind festsetzen wollte, niederzubrennen. Bei diesem Ausfall entdeckte man auch, daß die Belagerer bei der ersten Kanalschleuse Schanzen aufwarfen.
Die Januartage 1807 waren sehr kalt. Nur mit Mühe gelang es, die Gräben eisfrei zu halten, da auch hierfür Leute fehlten. Über 400 Bauern waren zwar hierzu gewaltsam zurückgehalten worden, aber 800 hätte man gebraucht. Diese „Eisbauern“ mussten zudem scharf bewacht werden, da sie bei jeder Gelegenheit zu desertieren versuchten. Von der Besatzung waren bis zum 28.1. noch weitere 22 Mann desertiert – 11 Infanteristen, 7 unberittene und 4 berittene Kavalleristen.
Zur Erkundung der Arbeiten der Belagerer bei der Kanalschleuse und um ihnen die Möglichkeit zu entreißen, sich in dem Waliczekschen Vorwerk, südlich von der Mündung des Kanals in die Oder, festzusetzen, wurde am 28.1. früh 7 Uhr ein Ausfall gemacht. 100 Mann unter Hauptmann v. Brixen vom Regiment v. Pelchrzim gingen vor. Es gelang, das Vorwerk in Brand zu stecken und zu erkennen, daß der Feind hinter dem Kanal einen Beobachtungsposten in den Damm eingegraben hatte. Die Bayern versuchten den Rückzug der Preußen abzuschneiden, wurden aber durch das Feuer der Adlerschanze und des Forts Friedrich Wilhelm daran gehindert. Die Preußen verloren 1 Offizier und 3 Mann, der Feind 1 Offizier und 6 Mann.
Das Fort Friedrich Wilhelm wurde jetzt noch mit 50 Mann zusätzlich verstärkt. Die Wiegschützer und Kobelwitzer Redoute, die Reinschdorfer Bastion und die Saillants Wilhelm und Heinrich erhielten zusätzliche Geschütze.
Fort Friedrich Wilhelm (Zustand April 2007)
Um dieselbe zeit zerstörten die Feinde die Wasserleitung, die von Reinschdorf gutes Trinkwasser bis auf den Platz hinter den Kasernen bei der Garnisonkirche führte. Zum Glück hatte der Kommandant drei Jahre zuvor sechs Brunnen in der Stadt graben lassen, die genügend Trinkwasser enthielten.
Die feindlichen Vorarbeiten näherten sich jetzt ihrem Ende. Laufgräben und Parallelen waren hergestellt, die einzelnen Batterien untereinander verbunden. Außerdem waren noch einige Geschütze an der Klodnitzer Mühle aufgestellt worden. In der Nacht vom 3. zum 4.2. wurden die Batterien armiert und alles zur Beschießung der Festung fertig gemacht. Bis zu diesem Tag waren weitere 99 Mann der Besatzung desertiert.
Mittwoch, den 4. Februar, früh 7.00 Uhr, fiel der erste Schuß der Belagerer, daß bald zu einem Bombardement anwuchs. Von der Festung aus wurde ebenso lebhaft das Feuer erwidert. Die Bürger flüchteten eilig in die Keller oder die Kirchen, die Soldaten wurden in den Kasematten untergebracht. Nach wenigen Minuten war ein Bürgerhaus in Brand geschossen und weitere zwei wurden im Laufe des Vormittags eingeäschert. Mit Gewalt mussten anfangs die meisten Bürger zum Löschen aus den Kellern herbeigeholt werden.
Der Schornsteinfegermeister Siebler konnte sie dabei durch sein Beispiel überzeugen, so daß man das Feuer Löschen konnte. Ihm zur Seite stand der ehemalige Stadtdirektor Herdt.
Viel schlimmer als der Brandschaden war die Zerstörung eines Viertes der Bürgerhäuser, auch viele Kasernen waren größtenteils unbewohnbar geworden. Eine Bombe fiel in die Hauptwache auf dem Ring und tötete drei Mann. Die übrige Mannschaft zog mit den Offizieren in das Steueramt – zur Kaiserzeit Hotel zum Kronprinzen -, die Wache in das Wolfrathsche Haus.
Zum Schrecken der Beschießung kam hinzu, daß ein großer teil der Besatzung sich betrunken hatte, in die Häuser eindrang und Ausschweifungen aller Art verübte.
Um 13.30 Uhr endete das Bombardement, 1460 Geschosse waren auf die Stadt geschossen worden, 4 Soldaten und 1 Bürger getötet, 11 Soldaten und 4 Bürger verwundet worden. Die Verwundeten kamen ins Minoritenkloster auf der Ratiborer Straße – später Zeughaus.
Von den Festungsanlagen war die Kobelwitzer Redoute am stärksten beschädigt, dort waren 4 Geschütze unbrauchbar geworden.
Aber auch der Feind hatte im Feuer von 41 preußischen Geschützen Verluste erlitten, die natürlich nicht feststellbar waren.
Gegen 14.00 Uhr erschien an der Ratiborer Bastion der französische Oberst Morio, um die Stadt zur Übergabe aufzufordern. Morio war Adjutant des Prinzen Jerome und ins bayerische Hauptquartier geschickt, weil man dem bayerischen General nicht genügend Tatkraft zutraute. Er übergab Deroy ein Schreiben, in dem es hieß, daß er auf Befehl Jeromes so lange vor Cosel bleiben sollte bis dieser Platz 24 Stunden lang heftig beschossen und zwei vorgeschoeben Werke gefallen waren. So lange wartete er allerdings nicht.
Am Ratiborer Tor wurde Morio vom Kommandanten und vom Rittmeister Samoggy empfangen. Oberst v. Neumann nahm die Aufforderung zur Übergabe entgegen sowie ein zweites Schreiben, das die Auswechslung von Gefangenen vorschlug. Bis zur Ausstellung der hierfür nötigen Pässe wurde eine Waffenruhe von 24 Stunden verabredet. Am folgenden Tag früh überbrachten Rittmeister Samoggy und Leutnant v. Neumann die Antwort des Kommandanten ins feindliche Hauptquartier in Comorno. Oberst Neumann versicherte, daß er den festen Willen habe, den Befehl seines Königs auf strengste zu erfüllen und die Festung bis zum äußersten zu verteidigen, das gebiete auch seine Ehre. Er lehnte die Übergabe erneut ab. Der vorgeschlagene Gefangenaustausch kam auch nicht zustande.
Die feindlichen Generale versuchten die preußischen Offiziere von der Aussichtslosigkeit ihre Widerstandes zu überzeugen. Sie malten die Lage des preußischen Heeres in den schwärzesten Farben und schlugen vor, ein Offizier der Festung möge nach Warschau reisen, um sich selber von der Wahrheit zu überzeugen. Oberst Morio schlug sogar vor, er wolle die Übergabe so gestalten, daß der Kommandant von jeder Schuld frei zu sein scheine. Er ritt mit den Preußen bis zur Rogauer Redoute zurück, um Eintritt in die Festung zu erhalten und den Kommandanten womöglich im persönlichen Gespräch zu überzeugen. Aber er wurde nicht eingelassen und ihm gesagt, daß die Feindseligkeiten sofort wieder beginnen würden, sobald er in Comorno eingetroffen sei. Um 14.15. Uhr begannen die Kanonen der Festung wieder zu feuern. Der Feind aber antwortete an diesem Tage nicht mehr.
Die kurze Feuerpause war von beiden Seiten zur Ausbesserung der Schäden benutzt worden. Die Bayern hatten außerdem erkannt, daß ihre 1. Batterie auf dem rechten Oderufer zu wenig Wirkung erzielte, daher legten sie in der Nacht zum 6.2. auf dem linken Ufer eine neue Batterie (Nr. 6) an, in die die Geschütze der 1. transportiert wurden.
Am 6.2. begann das feindliche Bombardement früh um 8 Uhr und dauerte bis 13.00 Uhr, begann dann 15.00 erneut, bis 18.00 Uhr die Dunkelheit das Feuer beendete. Gleich am Morgen war bereits eine Kaserne in Brand geschossen worden. Da am Anfang wieder nur wenige Leute zum Löschen bereit waren, konnte sich das Feuer weit ausdehnen. Es bedrohte die noch unbeschädigten Kasernen und die nahe liegenden Bürgerhäuser sowie das Pulvermagazin. Mit großer Anstrengung gelang es, die Gefahr abzuwenden. Der Verlust der Besatzung betrug 3 Tote und 11 Verwundete.
Aber auch der Feind erlitt diesmal stärkere Verluste. Die Batterien 1 und 2 waren fast völlig zerstört, und in der 3. Batterie war der bayerische Artilleriemajor Graf Sprety von einer Granate getötet worden. Er wurde auf dem Reinschdorfer Friedhof begraben. Die Anzahl weiterer Verluste ist nicht genau bekannt, war aber nicht unbedeutend.
Während des heftigen Feuers hatte der Feind weiter an den Laufgräben und Parallelen gearbeitet. Vor allem versuchte er von der 3. Batterie aus am Dembower Damm vorzudringen. Die neue 6. Batterie sollte mit einem Laufgraben zur 2. verbunden werden.
Die große Kälte an jenen Tagen hatte die Gräben der Festung mit starkem Eis bedeckt. Daher gingen wieder viele Deserteure zum Feind über, vor allem aus der Wiegschützer Redoute. Der bayerische Ingenieuroberst Blein machte daraufhin General Deroy den Vorschlag, von den zunächst gelegenen Batterien 3, 4 und 5 aus die Wiegschützer Redoute unter stärksten Beschuß zu setzen und dann mit einer starken Abteilung einen Sturm zu versuchen. Aber Deroy verschob den Plan von Tag zu Tag, bis Tauwetter ihn unmöglich machte.
In den folgenden Tagen wurde von beiden Seiten fast ununterbrochen gefeuert, am 7.2. von 7.30 bis 12.00 Uhr, am 8.2. von 12.00 bis 4.00 Uhr morgens, am 9.2. von 3.00 bis 7.00 Uhr. Der größte Teil der Bürgerhäuser lag am 9.2. in Trümmern. In der Nähe der Kasernen war kaum noch ein Haus vorhanden. Auch das Rathaus und das Steuerhaus hatten erhebliche Schäden. Immer wieder flammten neue Brände auf. „Bei dem geringen Umfang der Stadt war fast kein Fleck, wo nicht feindliches Wurfgeschoß niedergefallen wäre.“ Daß der Schaden nicht noch größer war, lag daran, daß die Belagerer aus ziemlich großer Entfernung schießen mussten. Deshalb war meist eine zu große Pulverladung nötig, die den Zünder der Granaten ausstieß, so daß diese nicht krepierten. Oder aber sie explodierten in der Luft und richteten dann nur geringen Schaden an.
Die Zahl der Toten und Verwundeten in Cosel erhöhte sich nur leicht. Desto größer war die Zahl der Deserteure. Vom 4.2. bis zur Nacht des 9.2. entwichen 334 Mann und 1 Eisbauer.
Bei den Belagerern sah es nicht viel besser aus. Am Morgen des 9.2. waren ihre sämtlichen Batterien ziemlich unbrauchbar, denn die Artillerie der Festung zeigte sich im Allgemeinen als überlegen. Der Feind hatte außerdem unter Frost und Kälte mehr zu leiden als die Belagerten. Vor allem waren sie schlecht mit Kleidung und Schuhen versorgt. Zwar hatte Jerome bereits Anfang Januar versprochen, diese Mängel zu beseitigen, aber es geschah nichts. Auch die Belagerungsarbeiten kamen nicht so recht voran, da die eisbedeckten Tümpel und Lachen vor der Festung das Vortreiben der Parallelen verhinderten. So begnügte man sich mit der Anlage zweier neuer Batterien, der 7. und 8. auf der nordwestlichen Seite des Reinschdorfer Weges, wo der Wiegschützer Damm abzweigte und die mit 2 Zwölfpfündern und 2 Mörsern armiert wurden bzw. am Ende des Laufgrabens, der vom Dembowaer Damm nach der Reinschdorfer Bastion vorgetrieben war und der 2 Zwölfpfünder und 2 Haubitzen erhielt. Auch eine 9. Batterie wurde vorbereitet, für die ein Graben im Zickzack nach Nordosten bis zur Höhe der 7. Batterie vorgetrieben wurde. Diese am 8.2. begonnenen Arbeiten dauerten jedoch viele Tage. Im gleichen Zeitraum wurden die 4. und 5. Batterie wegen Unwirksamkeit aufgegeben.
In der Nacht zum 10.2. trat Tauwetter ein. Es begann zu regnen und regnete auch noch den folgenden Tag hindurch. Für die Belagerten war dies sehr günstig: der Graben rund um die Festung wurde aufgeeist und füllte sich bald bis an den Rand mit Wasser und erschwerte so die Desertion bedeutend. Aber noch in der Nachtzum 10.2. entwichen 81 Mann.
Die Belagerer setzten trotz des schlechten Wetters ihre Erdarbeiten fort, beschossen die Stadt aber nur selten. Von der 6. Batterie aus trieben sie gegen die Kobelwitzer Redoute einen Graben vor, an dessen Ende in nur 300 m Entfernung von der Redoute sie einen Erdaufwurf machten. Trotz der Leuchtkugeln hatte man das in der Redoute nicht gesehen, und die Oder, die dazwischen fließt, hatte mit ihrem steigenden Wasser auch den Schall absorbiert. Jetzt schaffte man zusätzliche Geschütze nach dem bedrohten Werk, so daß dort schließlich 25 vorhanden waren. Zudem gelang es, das Kriebelsche Vorwerk im Nordosten von Kobelwitz in Brand zu schießen und so dem Feind den Rückhalt zu rauben.
Am 11.2. erschienen gegen 11.00 Uhr wieder Parlamentäre vor dem Ratiborer Tor. Entgegengesandte preußische Offiziere erhielten die mündliche Aufforderung zur Übergabe der Festung, da jeder Widerstand vergeblich sei, weil die Festung Schweidnitz gefallen und die Russen bei Preußisch-Eylau geschlagen seien. Aber Oberst Neumann lehnte erneut ab.
Am 12.2. waren die Feinde mit der Errichtung der neuen Batterien ziemlich fertig. Die Belagerten hatten inzwischen auf dem Saillant Wilhelm neue Geschütze aufgefahren und bereits in der Nacht zum 12. ihr Feuer gegen die neuen Werke eröffnet. Ehe es aber zu einem entscheidenden Kampf kam, trat ein Naturereignis ein, das den Preußen glücklich zustatten kam. Am Abend des 12.2. barst das Eis der Oder infolge des anhaltenden Tauwetters, und bald trat der Fluß über die Ufer und überschwemmte die ganze Oderniederung. Das Wasser stieg so schnell, daß alle Laufgräben und Batterien rasch von der Mannschaft verlassen werden mussten und nur wenige Geschütze am Morgen des 13.2. herausgezogen werden konnten. Die bayerischen Soldaten hatten unter dem Feuer aus der Festung, der Unterkunft in schlechten Quartieren und durch die anstrengenden Arbeiten viel zu leiden, aber Prinz Jerome fand für sie kein Wort der Anerkennung, sondern nur Tadel.
Am 12.2. kam der General Pernety ins bayerische Hauptquartier, um sich vom Stand der Belagerung zu überzeugen. Er fand wegen des Hochwassers natürlich alles in schlechtem Zustand. Nachdem er eine Anweisung für die Belagerungsartillerie ausgearbeitet hatte, ging er am 13. nach Breslau zurück.
Am 14. stieg die Oder so hoch, daß die Gegend von Kobelwitz bis Klodnitz einem See glich. Der bayerische Major v. Wreden, der in Kobelwitz lag, erklärte. „Ich kann meine Leute noch auf die Dächer legen, dann aber müssen sie verhungern.“ Ähnlich sah es bei Wiegschütz aus. Hier durchstach zwar der Feind den Damm, der das Wasser aufstaute, aber das brachte nur geringe Entlastung. Für die Belagerer verminderte sich die Hoffnung auf rasche Eroberung Cosels noch dadurch, daß das 1. Linieninfanterieregiment sowie die Oberglogau stehenden Truppen von Jerome abberufen wurden und auf diese Weise nicht nur eine Verminderung der Belagerungstruppen eintrat, sondern diesen auch noch die Deckung der Belagerung gegen die in der Grafschaft Glatz stehenden preußischen Truppen zusätzlich übernehmen mussten.
Hätte der Kommandant von Cosel zu diesem Zeitpunkt eine zuverlässigere Truppe gehabt, er hätte mit Ausfällen aus der Festung leicht die Aufhebung der Belagerung erzwingen können. Aber er durfte keinen Ausfall wagen, weil sonst seine Leute in Massen zum Feind übergegangen wären. Er musste sogar das Ratiborer Tor vernageln lassen, um weiteres gewaltsames Entweichen zu verhindern. Trotzdem desertierten bis zum 21.2. weitere 105 Mann. Die Besatzung betrug nun nur noch 73 Offiziere und 3.718 Mann. Darunter befanden sich 300 Kranke.
Am 21.2. begann das Wasser zu sinken. Die Belagerer arbeiteten nun mit aller Kraft an der Wiederherstellung ihrer Batterien. Sie wurden teilweise höher angelegt und neu armiert. Die 6. Batterie erhielt 4 Zwölfpfünder und 2 Haubitzen, die 2. zwei Zwölfpfünder, die 7. 2 24Pfünder und 2 Mörser und die 3. noch 4 Mörser. Auch die früher aufgegebene 4. Batterie erhielt 2 Zwölfpfünder und 2 Haubitzen.
Am Mittwoch, dem 24.2., gegen 7.00 Uhr, begann die erneute Beschießung von Cosel. Ziel waren vor allem die Klodwitzer und Kobelwitzer Redoute. In die Stadt wurden glühende Kugeln geschossen. Ein Brand konnte zwar verhindert werden, aber die wenigen noch unversehrten Bürgerhäuser wurden zertrümmert. In der Kobelwitzer und Wiegschützer Redoute wurden 6 Geschütze demontiert. Die Garnison hatte 2 Tote und 11 Verwundete zu beklagen. Auf feindlicher Seite war der Verlust höher. Um 13.00 Uhr hörte das Bombardement auf. Von den Preußen wurde aber mit Beginn der Dunkelheit das Feuer erneut aufgenommen, um die Angreifer zu hindern, ihre Batterien mit neuer Munition zu versorgen. Am 25.2. begannen die Bayern schon um 2.00 Uhr wieder zu schießen und feuerten bis nach 5.00 Uhr und nach einer 2 1/2 stündigen Pause bis 13.00 Uhr. Auf dem Saillant Wilhelm traf eine Kugel gerade eine Schießscharte, als eine Kanone geladen wurde, und verwundete und tötete mehrere Artilleristen. Eine Bombe, die in die Stadt fiel, tötete die Witwe eines Bäckers.
Am 26.2. begann das Schießen um 3.00 Uhr morgens und dauerte 2 Stunden. Eine Bombe schlug im Minoritenkloster ein, das als Lazarett diente. Sie drang durch das Gewölbe in eine Zelle, wo sich 4 Kranke und 1 Wärter befanden, blieb dort auf der Diele liegen. Die Leute sahen, wie der Zünder brannte, aber nur der Wärter konnte den Raum rasch verlassen ehe diese explodierte. Das Geschoß zerschmetterte Ofen, Tür und Fenster und riß acht Löcher in die Wand. Wie durch ein Wunder blieben die Kranken unverletzt. Ein anders Geschoß traf 4.00 Uhr das Haus des Töpfermeisters Tellmann und tötete eine Person. In der Kobelwitzer Redoute wurde der Kommandant, Hauptmann v. Wostrowski, von einer Granate zu Boden gerissen, trug aber nur starke Prellungen davon.
Die preußische Artillerie schoß fast den ganzen Tag. Zur Unterstützung der Artilleristen, die mit ihren viel zu wenigen Soldaten schwersten Dienst verrichten mussten und die kaum von den Wällen herunterkamen, hatte der Kommandant 50 „Eisbauern“ beordert. Zeitgleich wurde an der Ausbesserung der Schäden an den Werken gearbeitet.
Am 27.2. dauerte der feindliche Beschuß von früh 2 Uhr bis mittags 12 Uhr mit nur 1 Stunde Pause dazwischen. Um 16.00 Uhr begann er erneut bis 22.00 Uhr. Besonders litten an diesem Tag die Reinschdorfer Bastion, wo Oberst v. Neumann seine Unterkunft hatte, das Ratiborer Tor und die Kobelwitzer Redoute. In dieser wurden 3 Geschütze zerstört. Wieder gab es 2 Tote und zahlreiche Verwundete.
Am 28.2. dauerte das Bombardement von 2.00 Uhr bis 5.00 Uhr morgens. Aufflammende Brände konnten rasch gelöscht werden. Auf der Wiegschützer Redoute wurde 1 Mann getötet. Gegen 11.00 Uhr erschienen vor dem Ratiborer Tor zwei Parlamentäre, die man zur Wiegschützer Barriere umleitete. Es waren der bayerische Generalmajor Raglowich und der französische Rittmeister Duponton. Der erkrankte Oberst v. Neumann schickte 2 Offiziere. Die Parlamentäre aber verlangten den Kommandanten oder den ältesten Stabsoffizier zu sprechen. Daraufhin wurde Major du Thon geschickt. Die Parlamentäre durften die Stadt nicht betreten und übergaben die Kapitulationsaufforderung Deroys an die Preußen. Bis 10.00 Uhr am folgenden Tag sollte eine Antwort erfolgen. Major Thon aber erklärte schon jetzt, daß man nicht kapitulieren werde und die Feindseligkeiten fortsetze, was auch die Gegner tun sollten. Die Preußen schossen weiter, während die feindlichen Geschütze an diesem Tag schwiegen, da sie wieder mit steigendem Hochwasser zu kämpfen hatten. Erst am folgenden Tag früh gegen 3.00 Uhr begannen sie erneut mit ihrem Beschuß. Noch in der Nacht formulierte der kranke Oberst v. Neuman die Ablehnung des Kapitulationsangebotes, das dann dem Gegner übermittelt wurde. General Deroy unterließ dann weitere Kapitulationsaufforderungen.
Als die beiden Überbringer der Antwort wieder zurück waren, begann gegen 12.00 Uhr erneut die gegenseitige Kanonade. Bis zum 1. März waren weitere 35 Mann desertiert. 310 Militärangehörige und 56 Eisbauern waren krank. Gestorben waren bis zu diesem Tag 35 Mann.
Am 2.3. begann der Beschuß gegen 1.00 Uhr nachts und dauerte bis 5.00 Uhr. Nach 2 ½ Stunden wurde er bis 14.30 Uhr fortgesetzt. Gegen Morgen fiel eine Bombe ins Minoritenkloster, richtete aber nur Sachschaden an. In der Stadt gab es kein Haus, das nicht beschädigt war; viele waren bereits eingestürzt.
Am schlimmsten für die Verteidiger war der Mangel an Artilleristen. Diese hatten kaum eine Minute Schlaf. Damit sie die ungeheuren Anstrengungen einigermaßen aushielten, bekamen sie doppelte Portionen. Oberst v. Neumann befahl außerdem, daß 320 Infanteristen für den Artilleriedienst angelernt werden sollten. Als Anreiz erhielten auch sie doppelte Portionen.
An diesem Tag lag die Kobelwitzer Redoute im Kreuzfeuer von 3 feindlichen Batterien, der 2., 6. und 8. Um sich dagegen zu schützen, hatte Hauptmann v. Wostrowski schon früher 120 Arbeiter aus der Stadt herangezogen, die Traversen und Schutzdämme errichteten. Da die 8. Batterie des Feindes an diesem Tag unter Wasser stand, konnte er das Feuer seiner Geschütze auf die 6. und 2. Batterie des Feindes konzentrieren. Es gelang den Preußen in der 6. Batterie 5 Geschütze zu demontieren und in der 2. zwei Schießscharten zu zerstören.
Am 3.3. gab es wieder Frost. Das Wasser war in der Nacht gesunken, so daß der Feind die Batterie Nr. 8 wieder besetzen konnte. In der 6. arbeitete man fieberhaft, um sie wieder kampffähig zu machen. Die Preußen beschossen sie, um dies zu verhindern. Daraufhin eröffneten alle feindlichen Batterien das Feuer, das bis 18.00 Uhr dauerte.
In der Nacht vom 3. zum 4. März wurde in Cosel eine Verschwörung unter der Besatzung entdeckt. 200 bis 300 Mann hatten sich in der Nacht zuvor, als der Feind nicht schoß, aus ihren Batterien entfernt und sich über Desertion und gewaltsamen Ausbruch beraten, der in der nächsten Nacht versucht werden sollte. Ein Teil sollte das Odertor aufbrechen. Als man dort die Aktion begann, wurden sie entdeckt, die Wachen gaben Feuer. Die Verschwörer liefen zurück und zerstreuten sich. Einige wurden aber überführt und arretiert.
Am 4. März dauerte die Beschießung von 2.00 Uhr bis 6.00 Uhr früh. In der Stadt fingen 3 Häuser, die bereits starke Beschussspuren hatten, Feuer und brannten völlig nieder. Sie gehörten dem Major v. Erdmann, dem Zeughausleutnant Holzmann und dem Nagelschmied Aulich. Eine Bombe fiel in das alte Schloß und tötete einen Arbeiter. Drei andere wurden verwundet und 30 so betäubt, daß sie erkrankten. Sie sollen bald darauf verstorben sein. An diesem Tag konnten die Feinde auch einen neuen Durchstich am Wiegschützer Damm machen.
Da die Krankheiten in der Festung, vor allem unter den Eisbauern, in erschreckender Weise zunahmen, ließ man in der nächsten Nacht 32 entfliehen. Damit sie aber vom Feind als Deserteure anerkannt wurden, schoß man blind hinter ihnen her.
Die nach dem Fluchtversuch arretierten Artilleristen wurden verhört. Es stellte sich heraus, daß fast alle Artilleristen und Handlanger an dem Fluchtversuch beteiligt waren. Die Untersuchung ging nur langsam voran, da man die Artilleristen in den Morgenstunden des 4. März wegen des feindlichen Bombardements auf den Wällen brauchte. Man musste sowieso die meisten Schuldigen auf den Wällen lassen. Nur die Anführer wurden abgeführt. 22.00 Uhr wurde dann festgestellt, daß fast die ganze Garnison vom Fluchtversuch wusste. Oberst v. Puttkammer, der anstelle des erkrankten Oberst v. Neumann die Untersuchung leitete und der für die Nacht einen Ausbruch befürchtete, ließ sofort den Ingenieurhauptmann Keibel und noch 2 andere Offiziere zu einem Kriegsrat herbeiholen. Es wurde beschlossen, daß die 16 berittenen Kavalleristen, die noch vorhanden waren und wahrscheinlich nicht am Komplott beteiligt waren, die ganze Nacht patrouillieren sollten, daß jede Kasematte durch die wenigen sicheren Leute streng überwacht und alle Gewehre unter Aufsicht genommen werden sollten. An der Ratiborer und Odertorwache wurde auf der Stadtinnenseite je eine 6pfündige Kanone aufgestellt und mit Kartätschen geladen. Einige Artilleristen, die treu geblieben waren, wurden mit brennender Lunte daneben aufgestellt. Sie hatten den Befehl, im Notfall ohne Rücksichten zu feuern.
Kaum hatte man diese Vorbereitungen getroffen, hörte man vom Fort Wilhelm her heftiges Gewehrfeuer. Beim Brückenkopf und auf der Insel gab es Lärm und gewaltsame Bewegungen. Aber in der Stadt musste man tatenlos zusehen und abwarten, was geschehen war und was sich entwickeln würde. Man wagte nicht, die Tore zu öffnen und eine Patrouille zu schicken.
Am Morgen des 6. März musste man feststellen, das Komplotte schlimmster Art zum Ausbruch gekommen waren und nur durch das rasche und entschlossene Eingreifen des Kommandanten der Kobelwitzer Redoute und des Forts unterdrückt worden waren. Hauptmann v. Wostrowski hatte erfahren, daß alle seine Truppen, mit Ausnahme der Unteroffiziere, zweier Artilleristen und der Jäger sich verabredet hatten, ihn selber zu töten, die anderen Offiziere bei Widerstand ins Wasser zu werfen, die Kanonen zu vernageln und dann zum Feind überzugehen. Wer von den Mannschaften sich nicht anschließen wollte, sollte ebenfalls getötet werden. Schnell entschlossen sich nun Wostrowski und die Jäger und Unteroffiziere alle Gewehre einzusammeln, dann besetzte er mit diesen wenigen Getreuen alle Türen und Fenster der Kasematten und gab den Befehl, jeden, der heraus wollte, zu erschießen. Dann ritt er eilig zur Klodnitzer Redoute und zum Brückenkopf, holte sich dort 150 Mann und arretierte mit diesen die meuternde Besatzung. Dann stellte er Verhöre an, machte dann dem Kommandanten Meldung. Dieser entschied, daß die drei Anführer, Artilleristen vom Bataillon Sanitz, sofort standrechtlich erschossen, ein vierter von der Nationalkompanie begnadigt werden sollte. Um 8.00 Uhr morgens wurden die Urteile vollstreckt.
Als der Kommandant Hauptmann Wostrowski fragte, ob er mit dieser unzuverlässigen Mannschaft weiter seinen Posten behaupten wolle, bejahte dieser. Er versammelte alle Arretierten um sich und hielt eine kurze Ansprache. Da warfen sich alle Soldaten vor ihm nieder und gelobten, als redliche und treue Soldaten unter ihm zu dienen.
Ähnlich war es im Fort Wilhelm zugegangen. Dort war Hauptmann v. Brixen Kommandant. Hier hatten Soldaten um Mitternacht die Brücke des Forts heruntergelassen. Die Offiziere und Unteroffiziere waren mit dem Gewehr in der Hand zwischen die nach draußen drängenden Soldaten getreten und konnten einen Teil zurückhalten. 55 waren aber desertiert. Als man nach ihnen schoß, mußte man feststellen, daß die Kugeln aus den Patronen ausgebrochen waren.
Am 6. März musste dann noch ein Kanonier wegen Anstiftung zu einem Komplott erschossen werden, ebenso am 9. März zwei Mann vom Nationalbataillon wegen versuchter Desertion. Als Ursache für diese Meutereien ergab sich der Unwille über den sehr anstrengenden Dienst und die totale Überanstrengung. Dies war vor allem die Folge des zu geringen Mannschaftsbestandes. Krankheit und Verwundungen hatte die Zahl der Verwendungsfähigen noch mehr herabgesetzt. Vor allem wütete der Typhus. 15 Offiziere und 412 Mann waren Anfang März krank, davon galten 11 Fälle als hoffnungslos. 80 Genesende blieben dienstuntauglich.
Die Schreckennacht des 5. März war zugleich das Ende der Beschießung. Nach der Schlacht bei Preußisch-Eylau, wo Napoleons Truppen ungeheure Verluste erlitten hatten, befahl der Kaiser seinem Bruder Jerome, alle verfügbaren Truppen aus Schlesien zu seinem Heer stoßen zu lassen. Jerome hatte sich von Kapitän Duponton über die Lage vor Cosel unterrichten lassen. Als dieser meldete, daß 10.000-12.000 Mann und eine bedeutende Vermehrung der Artillerie nötig sei, um die Festung einzunehmen, ordnete er am 4. März die Aufgabe der Belagerung und die Umwandlung in eine bloße Einschließung an. Nur die Brigade Raglowich und das leichte Bataillon Braun blieben zur Blockade zurück.
Schon in der Nacht zum 5. März begann der Feind mit der Herausziehung der Geschütze aus den Stellungen. Von der Festung aus sah man wenige feindliche Soldaten, aber viele Landleute, die die Geschütze zurückführen sollten. Das Feuer der Festungskanonen zerstreute sie immer wieder, sie wurden aber von den bayrischen Soldaten zurückgetrieben.
Aufgrund der Unzuverlässigkeit seiner Soldaten konnte Oberst Neumann nur unter großer Vorsicht an einen Ausfall denken. Am 7. März setzte Leutnant Lippa mit 40 Mann über die Oder, um den Feind zu beobachten. Dabei konnte ein feindliches Geschütz nach der Kobelwitzer Redoute geschafft werden.
Da das Feuer der Festung nicht erwidert wurde, und man nicht wusste, ob der Feind völlig abgezogen war, wurden für den 8. März zwei neue Ausfälle geplant. Major Hahn erhielt die Aufgabe, die Batterien vor Reinschdorf zu zerstören, die Laufgräben dort und am Dembowaer Damm von den Feinden zu säubern und Reinschdorf anzuzünden, um dem Feind Deckung und Unterkunft zu entreißen. Die Vorhut bestand aus 12 Kavalleristen unter Wachtmeister Bongard und 30 Freiwilligen des Bataillons v. Pelchrzim unter Hauptmann Römer. Ihnen folgten 2 Kompanien des Nationalbataillons Hahn mit 160 Mann und 60 Mann des Bataillons Sanitz unter Leutnant v. König. Sie waren teilweise mit Hacken und Spaten für die Zerstörung der Batterien ausgerüstet.
Die Reinschdorfer Batterien wurden von der Vorhut genommen. Die Feinde flohen, kehrten aber bald verstärkt zurück. Es entspann sich bei der Nepomukstatue ein erbitterter Kampf. Währenddessen war der Wachtmeister Kreutzmann mit 8 Mineurs bei der Zerstörung der Batterien, was aber nur unvollständig gelang, denn der Feind erhielt fortlaufend Verstärkung und Major v. Hahn musste das Gefecht abbrechen und sich langsam zur Festung zurückziehen. Sein Pferd wurde dabei getötet, auch sein Bursche. Leutnant König wurde von zwei Schüssen schwer verwundet.
Der andere Vorstoß ging von der Kobelwitzer Redoute aus und sollte die auf der linken Oderseite ihr gegenüberliegenden Batterien zerstören. 194 Mann und 4 Offiziere machten diesen Versuch. Die Batterien wurden im ersten Sturm genommen, die geringe Besatzung vertrieben und die Zerstörung begonnen. Durch das Feuer der Klodnitzer und Kobelwitzer Redoute wurden die allmählich zusammenströmenden Feinde zunächst abgewehrt. Als aber dann bei Klodnitz und Pogorzelletz weit überlegene Truppen auftauchten, musste der Rückzug angetreten werden.
Beide Ausfälle kosteten schwere Verluste. 1 Unteroffizier und 27 Mann fielen, 4 Offiziere, 2 Unteroffiziere und 15 Mann waren verwundet. 4 Mann wurden vermisst. Der Feind hatte geringere Verluste.
Man hatte nun festgestellt, daß der Feind noch viel zu zahlreich war, um ihn mit den unzuverlässigen Truppen ernsthaft angreifen zu können. An den folgenden Tagen wurde deshalb mit der Artillerie den feindlichen Stellungen weiter Schaden zugefügt und die Truppenbewegungen des Feindes unter Feuer genommen.
Am 9. März versuchten zwei Artilleristen schwimmend zu desertieren. Sie wurden ergriffen und sofort erschossen. Zwei andere, die ihnen geholfen hatten, wurden zu 24maligem Gassenlaufen verurteilt. Trotz der schweren Strafen und größter Wachsamkeit desertierten vom 1. bis 10. März 95 Mann.
Am 12. März wurden 4 zuverlässige Soldaten zur Erkundung ausgesandt. Sie kamen am 13. mit zwei Bewohnern von Klodnitz zurück, die berichteten, daß der letzte Feind das rechte Oderufer am Morgen verlassen hatte.
Der Kommandant schickte nun die Jäger des Forts Wilhelm und der Kobelwitzer Redoute auf Patrouille in die nächsten Dörfer. Eine weitere Kolonne aus Soldaten und Arbeitern wurde zur Zerstörung der Kobelwitzer und Reinschdorfer Batterien ausgesandt. Als stärkere feindliche Truppen auftauchten, ging man allmählich zurück.
Am 14. März war klar, daß das rechte Ufer der Oder feindfrei war. Sofort wurden alle vorhandenen Belagerungswerke von der Besatzung der Kobelwitzer Redoute gründlich zerstört. Man fand dabei im Sumpf an der Klodnitzer Mühle einen 24pfünder, der in die Stadt gebracht wurde.
Der Feind gab nun Dembowa und Kobelwitz auf und verlegte seine Hauptmacht nach Comorno. Zwei Kompanien und 1 Geschütz standen in Reinschdorf, ebensoviel in Wiegschütz, Rogau und Poborschau wurden ebenfalls mit je 1 Kompanie besetzt.
Die hart bedrängte Festung Cosel konnte nun nach mehr als siebenwöchiger Absperrung wieder mit der Außenwelt in Verbindung treten. Am 15. März brachten Landleute Lebensmittel in die Stadt, so daß die Preise sanken. Auch Neugierige kamen, um sich die Zerstörungen anzusehen.
In der Festung wurde mit aller Kraft an der Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit gearbeitet. Vor allem die Belagerungsarbeiten des Feindes mussten zerstört werden. Dies gelang ziemlich vollständig. Die Einschnitte in den Wiegschützer Damm konnte man wegen der bayrischen Besatzung in Wiegschütz und Reinschdorf aber nicht beseitigen.
Unbedingt musste die Verproviantierung der Festung durchgeführt werden, denn das Vorhandene hätte nur bis zum 18. April gereicht. Man entdeckte verschiedene feindliche Proviantdepots, deren Bestände nach Cosel gebracht wurden. Dazu machten die Jäger Streifzüge in die Umgebung und brachten immer wieder Wagen mit Lebensmitteln in die Stadt. Man fand auch 2.000 Paar Schuhe, die man an die Soldaten verteilte. Große Schwierigkeiten bereitete die Vervollständigung der Festungsbesatzung. Man besaß nur noch 13 Kavalleristen, der Kommandant hielt aber 200 für notwendig. Es wurden Pferde auf dem Lande ausgeschrieben und Leutnant v. Gröling mit der Organisation einer Kavallerieabteilung beauftragt. Bereits am 26. März trafen die ersten Pferde ein.
Prinz Biron von Kurland überbrachte am 20. März 10.000 Dukaten zum Kommandanten. Am 1. April lieferte der Kreisdirektor v. Lüttwitz 8.600 Dukaten, die beim Steueramt deponiert wurden.
Dann wurde der Bericht über die Belagerung durch den Leutnant v. Neumann an den König abgesandt, Graf Götzen über die Situation der Festung unterrichtet. Einige Bewohner, darunter alle jüdischen Einwohner, verließen die Stadt.
Anfang April war die Zuschüttung der feindlichen Laufgräben und die Abtragung der Verschanzungen auf dem rechten Oderufer beendet. Die Festung war einigermaßen verproviantiert. Die Reiterei war verstärkt worden, da etliche Husaren und Kürassiere eingetroffen waren. Die Wälle waren ausgebessert und man sah der Zukunft mit einem gewissen Vertrauen entgegen. Die übrige Besatzung blieb aber schwach und in der Masse unzuverlässig. Zunehmende Krankheiten verringerten die Zahl der Dienstfähigen weiter. Ende März lagen 24 Offiziere, 26 Unteroffiziere, 554 Gemeine und 41 Eisbauern krank im Lazarett, 200 Genesene waren noch nicht dienstfähig.
Anfang April trafen beim Feind Verstärkungen ein, die zunächst rücksichtslos Schlachtvieh und Lebensmittel requirierten, vor allem im Kreis Ratibor. Dann gingen sie daran, das rechte Oderufer wieder zu besetzen. Am 4. April erschien der bayrische Major v. Wreden mit einem Bataillon, 45 Reitern und einem Geschütz in Wielmierzowitz und Januschkowitz und schob Vorposten bis zur Oberförsterei Klodnitz vor. Ein erneute Einschließung von Cosel war nun in wenigen Tagen zu erwarten. Leutnant v. Witowski führte deshalb am 5. April mit 50 Husaren, 10 Kürassieren und 25 Jägern einen Vorstoß nach Gleiwitz, um dort Insurgenten zu vertreiben. Einzelne Bauern kamen noch in die Stadt und verkauften Lebensmittel. Aber am 7. April war Cosel wieder vollständig von feindlichen Truppen eingeschlossen. Der zweite Teil der Leidensgeschichte der Stadt begann.
Der Feind verzichtete nun auf eine förmliche Belagerung und versuchte es mit einer Einschließung, um durch Hunger die Übergabe zu erzwingen. Cosels Lage erwies sich für eine Einschließung als sehr günstig, denn es brauchten nur wenige Wege stark besetzt zu werden, da das sumpfige Terrain vor der Stadt, dessen Zustand durch das aufgestaute Wasser während der Belagerung sich verschlimmert hatte, jede Verbindung mit der Stadt außerhalb der Wege unmöglich machte. Der Feind besetzte Klodnitz, Kobelwitz, Reinschdorf, Wiegschütz und Rogau und hatte damit jeden Zugang zur Festung in der Hand. An den Eingängen der Dörfer wurden Schanzen und Barrikaden errichtet, alle Brücken über die Bäche und Wasserläufe abgebrochen und die Verbindung zwischen den beiden Oderufern durch Fähren bei Krappitz und Deschowitz hergestellt. Am 8. April trafen weitere Verstärkungen ein, deren Kommando am rechten Oderufer Oberstleutnant Graf Taxis übernahm.
Inzwischen hatte sich der nach Gleiwitz entsandte Reitertrupp Leutnant Witowskis wieder der Festung genähert. Man hatte am 6. April bei Nicolai polnische Insurgenten in die Flucht geschlagen. Um wieder nach Cosel zu gelangen, sprach man mit dem Kommandanten eine Aktion ab.
Preußische Kavallerie 1807
Am 10. April unternahmen zwei jeweils 250 Mann starke preußische Abteilungen einen Ausfall, bei dem man den Feind solange ablenken konnte, daß die Reiterabteilung wieder in die Festung gelangte. Der Erfolg war allerdings mit 8 Toten, 26 Verwundeten und 8 Deserteuren teuer erkauft.
Noch am gleichen Tag schnitten die Feinde noch den Mühlgraben, der die Kuckelsmühle antrieb, ab, so daß die Stadt nur noch über 3 Handmühlen verfügte, die nicht ausreichten.
Am 14. April schlich sich Hauptmann v. Wostrowski mit einigen Mann durch die feindlichen Linien und trieb aus Kobelwitz und Dembowa eine Anzahl Vieh in die Stadt. Ein in der Nacht zum 15.4. herrschendes Schneegestöber begünstigte diese Aktion.
Der 16. April brachte Cosel einen schweren Verlust. 18.00 Uhr verstarb Oberst v. Neumann. Bereits im Februar hatte er einen Schlaganfall erlitten, von dem er sich nicht mehr erholte. Häufig war er stundenlang ohne Bewusstsein. Wenn er aber wieder erwachte, dann entfaltete er eine fieberhafte Tätigkeit. Am 3. März verschlimmerte sich sein Zustand und er lag drei Tage ohne Bewusstsein. Am 8. März übertrug er Oberst v. Puttkammer die Geschäfte des Kommandanten. Als es ihm wieder besser ging, übersiedelte er am 16. März von der Reinschdorfer Kasematte in die Kommandantur, wo noch einige Zimmer benutzbar waren. Er war aber sehr schwach und fast blind. Auf dem Weg dorthin verletzte er sich noch am Fuß und musste getragen werden und war nun völlig ans Bett gefesselt. Er bekam Reißen, der verletzte Fuß wurde brandig. Schließlich kam noch ein Nervenfieber hinzu. Seine letzten Worte waren: „Gott, warum lässt Du mich nicht so lange leben, bis ich meinen guten König noch einmal sehen kann!“
Entsprechend seinem Willen wurde Oberst v. Neumann am 18. April in der Reinschdorfer Bastion beigesetzt. Prinz Biron von Kurland, sämtliche Offiziere, die königlichen und städtischen Beamten und ein großer Teil der Bürgerschaft folgten dem Sarg, der mit militärischen Ehren ins Grab gesenkt wurde. König Friedrich Wilhelm III. ließ ihm, den er noch vor seinem Tode zum Generalmajor befördert hatte – die Nachricht gelangte jedoch erst später nach Cosel -, im Januar 1810 in der Oderbastion ein Denkmal errichten. Es war ein schlichter, gusseiserner Obelisk, der die ehrende Inschrift trug:
„Friedrich Wilhelm III. dem heldenmütigen Verteidiger Cosels.“ Auf der Rückseite
standen die Worte: „David von Neumann, Königl. Preuß. Generalmajor und Kommandant dieser Veste. Geboren den XXVIII August MDCCXXXV bei Wehlau in Preußen. Gestorben den XVI April MDCCCVII zu Cosel.“
Denkmal für den verstorbenen Kommandanten der Festung Cosel in der Oderbastion (während des 2. Weltkrieges abgebaut)
Da der vorgesehene Stellvertreter Hauptmann Keibel selbst am Typhus erkrankt war, hatte Oberst v. Neumann am 15. April den Oberst v. Puttkammer an sein Krankenbett rufen lassen und ihm das Kommando über die Festung Cosel übergeben. Puttkammer war bereits 71 Jahre alt und stand seit 1761 in preußischen Diensten. 1793 hatte er sich bei Mainz den pour le merite verdient. 1795 wurde er Obersleutnant und Chef des 3. Artillerieregiments in Berlin. Als Oberst und Chef der Fußartillerie war er seit 1800 in Cosel. Trotz seines Alters war geistig und körperlich noch frisch und setzte die Verteidigung energisch fort.
Schreiben v. Puttkammers an den Grafen Götzen über den Tod Oberst v. Neumanns
In den nächsten Tagen gab es nur kleinere Streifzüge in die nahe gelegenen Dörfern, um Vieh in die Festung zu bringen. Die Artillerie beschoß immer wieder die Blockadetruppen. Versuche, am 24. April und 1. Mai, zur Öffnung des abgesperrten Mühlgrabens scheiterten jedoch.
Am 1. Mai 1807 bestand die Garnison nur noch aus 1.932 Mann Infanterie, unberittenen Kavalleristen und Mineurs, sowie aus 139 Husaren und Kürassieren und 685 Artilleristen und Handlangern, zusammen 2.756 Mann. Dazu kamen 18 dienstfähige Offiziere. 781 Mann lagen krank im Lazarett. Aber auch von den Gesunden war mehr als die Hälfte nur eingeschränkt dienstfähig, die übrigen durch überstandene Krankheiten heruntergekommen und geschwächt. Die Kleidung der Leute wurde immer schlechter. Viele hatten weder Schuhe noch Strümpfe und kaum die nötigste Wäsche. Ein Teil der Soldaten besaß überhaupt keine Uniform. Die artilleristische Ausrüstung war aber noch komplett. Zwar waren 5 Geschütze zerstört worden und bei weiteren 27 war die Lafettierung unbrauchbar, aber 198 befanden sich noch in gutem Zustand. Pulver war noch genügend vorhanden, nur die Geschosse wurden langsam knapp. Auch die Proviantvorräte waren schon wieder stark verringert.
Am 1. Mai gab es noch Hafer für ein Jahr, Mehl für 4,5 Monate, Bier, Branntwein, Tabak und Heu noch für höchstens 6 Wochen, andere Lebensmittel nur noch für 14 Tage.
Im April konnten dank scharfer Überwachungsmaßregeln nur 16 Mann desertierten.
Schlimm war die Situation für die Kranken. Man erbaute auf der Oderinsel hölzerne Baracken, um bei zunehmender Wärme die Kranken luftiger und gesünder unterzubringen zu können. Medikamente gab es zwar noch ausreichend, aber es fehlte an Ärzten und Krankenwärtern. Auf 50 Kranke kam 1 Arzt. Auch unter den Bürgern wütete der Typhus, 67 starben daran bis zum Mai.
Der Mai verlief insgesamt ohne größere Unternehmungen. Die von der Festungsbesatzung unternommenen kleinen Streifzüge zum Erbeuten von Vieh schlugen häufig fehl, da sie dem Feind durch Signale verraten wurden. Dieser Verräter wurde nie gefasst. Zwei Offiziere wurden bei derartigen Streifzügen schwer verwundet.
Mitte Mai schien sich für Cosel neue Hoffnung zu zeigen. Durch eine Flaschenpost über die Oder hatte Graf Götzen den Kommandanten informieren lassen, daß Major v. Losthin mit Truppen auf dem Weg über Breslau sei, um Cosel und Neiße zu entsetzen. Aber diese preußische Truppenabteilung wurde bei Adelsbach geschlagen.
Die Lage der Festung verschlimmerte sich, denn der Feind schloß den Belagerungsring immer dichter. Kobelwitz wurde stärker besetzt, vor Wiegschütz und Rogau waren neue Schanzen entstanden. Zudem hielt sich der Feind meist außerhalb der Schussweite der Festungsartillerie auf, so daß auch diese fast nicht mehr schoß. Der Kommandant erkannte die Gefahr, die durch das tatenlose Warten bei den ohnehin unzuverlässigen Truppen entstand. Er beschäftigte sie mit dem Ausbessern der Wälle und dem vollständigen Einebnen der vom Feind verlassenen Batterien und Laufgräben.
Im Monat Mai verstarben 225 Mann der Garnison. Ende des Monats lagen noch 600 Kranke im Lazarett. Außerdem waren weitere 83 Mann trotz aller Vorsichtsmaßnahmen desertiert.
Ende Mai machte sich der Mangel an Schlachtvieh bemerkbar. Viele Bürger hatten nicht an eine erneute Einschließung geglaubt und kaum Vorräte angelegt. Nun wurde am 25. Mai auf Veranlassung des Magistrats der Viehbestand aufgenommen und das Schlachten mit strengen Auflagen geregelt. In den Fleischerläden wurde das Fleisch unter Aufsicht gegen Barzahlung entsprechend der Familienstärke verkauft.
Am 31. Mai 18.00 Uhr hörte man auf allen Seiten der Stadt Gewehrfeuer. Die Feinde feierten damit die Einnahme von Danzig. Am 1. Juni überbrachte ein bayerischer Trompeter ein Schreiben an den Kommandanten, in dem General Raglowich um eine Zusammenkunft ersuchte. Nach einem Kriegsrat wurde dem zugestimmt. Raglowich erschien am nächsten Tag mit dem Major v. Wreden und zahlreichem Gefolge vor der Rogauer Redoute. Sie wurden von den Hauptleuten Brünnow und Keibel empfangen. Nur der General Raglowich und Wreden wurden mit verbundenen Augen eingelassen. In der Wohnung des Kommandanten übergab Raglowich ein Schreiben mit der Mitteilung von der Kapitulation der Festung Neiße und der Besetzung Danzigs. Dann schlug er die Kapitulation Cosels vor, das von außen völlig abgeschnitten sei und nicht auf Entsatz rechnen könne. Der Kommandant selber solle bestimmen, nach wie viel Tagen die Übergabe zu erfolgen habe. Er könne außerdem einen Offizier nach Neiße schicken, der sich von der Kapitulation dieser Festung überzeugen könne. Eine Antwort verlangte er erst in 6 Tagen. Er warnte aber vor zu langem Zögern, da nur eine Kapitulation diejenigen Offiziere schützen könne, die trotz ihres gegebenen Ehrenwortes in der Festung Dienst leisteten.
Der Kriegsrat beriet nicht lange. Er erklärte, daß man Pulver, Blei, Lebensmittel und Soldaten genug besitze, um Cosel weiter zu verteidigen. Der Kommandant ließ Raglowich mitteilen, daß man die Festung bis zum Äußersten verteidigen werde, ohne sich um die Vorgänge außerhalb zu kümmern. Diese Antwort wurde am 3. Juni 10.00 Uhr nach Comorno gebracht.
Die Bürger erfuhren von den Verhandlungen wenig. Es gab nur Gerüchte über einen Abschlag des Kapitulationsangebotes.
Am 10. Juni kam der Erbprinz von Hohenzollern-Hechingen, dessen Land Mitglied des Rheinbundes war, in die Festung. Er forderte den Kommandanten im Namen Jeromes noch einmal zur Kapitulation auf. Auf Forderung v. Puttkammers setzte er die Bedingungen schriftlich auf. Diese lauteten:
1. Die Festung Cosel ergibt sich den Truppen Sr. Majestät des Kaisers von Frankreich bis zum 16. Juli 1807.
2. Sollte bis dahin Entsatz erfolgen, so findet die Kapitulation nicht statt.
3. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt alles beim status quo. - Das Blockadekorps wird weder vermehrt noch vermindert, jedoch hören die Feindseligkeiten bis zu diesem Zeitpunkt auf. An den Festungswerken wird indessen nichts gemacht noch geändert.
4. Die Herren Offiziere werden sich auf ihr Ehrenwort dahin begeben, wohin sie wollen. Sie erhalten die Gage, die sie von ihrem König in Friedenszeiten erhielten.
5. Vier Offiziere erhielten die Erlaubnis, zu des Königs Majestät sich zu begeben, und werden nicht als Kriegsgefangene angesehen.
6. Da Seine Kaiserliche Hoheit in Erfahrung gebracht haben, daß den Kranken in der Festung die nötige Arznei mangele, so ist man bereit, dieselbe bis zum Moment der Übergabe zu liefern.
Nach dem Aufsetzen dieses Schriftstücks wurde es durch sämtliche Offiziere der Garnison beraten. Das Ergebnis war:
„Daß, da die Festung nur bis zum 15. Juni mit Butter und Fett, mit Lebensmitteln excl. Mehl bis zum 8. Juli, mit Fleisch bis zum 5. Juli versehen sei, überdem die Krankheiten und die Sterblichkeit der Garnison überhand nehmen, und die medizin gegen den 1. Juli völlig ausgegangen sein dürfte, folgende Kapitulationspunkte vorläufig festgesetzt werden könnten.
Der Feind erlaubt dem Prinzen Biron von Kurland nebst einem Offizier zur Armee des Königs zu gehen, um Höchstdenenselben einen alleruntertänigsten Rapport vom Zustande der Festung abzustatten; die Festung Cosel ergibt sich den 16. Juli auf Kapitulation, wenn bis dahin kein Entsatz erscheint, wenn bis dahin Neiße übergeht, wenn der Feind mit einem gleichen Korps, als wenigstens 1.500 Mann stark sein muß, Cosel blockiert behält, wenn 10 Offiziere zur Armee des Königs gehen dürfen, ohne kriegsgefangen zu sein, und wenn den Offizieren, denen der Feind Vorwürfe machen zu können glaubt, nichts geschieht.“
Alle Anwesenden unterzeichneten das Schriftstück. Dem Erbprinzen wurde mitgeteilt, daß man die Antwort am nächsten Tag 16.00 Uhr ins feindliche Lager bringen werde. Zusätzlich wurde noch ein Waffenstillstand mit 24stündiger Kündigung vereinbart.
Am 11. Juni brachten 2 Offiziere den schriftlichen Entwurf der Kapitulation nach Wiegschütz. Am 13. sandte Raglowich den französischen Text des Entwurfs an den Kommandanten. Der berief noch einmal sämtliche Offiziere zur Beratung. Er erläuterte, daß vom 1. bis 10. Juni 103 Mann der Garnison begraben worden seien, in den letzten Tagen täglich 14 Mann gestorben seien. Vom 8. Juli an werde die Besatzung nur noch über Brot, Salz und Wasser verfügen und die Kranken ohne Arznei sein. Das würde die Sterblichkeit weiter erhöhen und die Auflösung der Garnison bedeuten. Er könne deshalb die Festung nicht länger als bis zum 16. Juli halten. Die Offiziere akzeptierten diese Argumente und stimmten der Kapitulation zu. Noch am Nachmittag wurde das Schriftstück zur Ratifikation an den Prinzen Jerome nach Breslau geschickt.
Der Wasserstand der Oder war in diesen Tagen so niedrig, daß sie durchwatet werden konnte. Die Festungsgräben waren nur noch zu Hälfte mit Wasser gefüllt.
Am 16. Juni kam der Erbprinz von Hohenzollern-Hechingen in Begleitung des preußischen Rittmeisters v. Derschau, des Adjutanten des Generalgouverneurs Graf Götzen, wieder nach Cosel. Dieser hatte mit den Franzosen über einen Waffenstillstand verhandelt, der aber nur gewährt werden sollte, wenn Cosel bis zum 18. Juni übergeben wäre.
Am 18. Juni ging aus Breslau die Ratifikation der Übergabeurkunde ein. Am nächsten Tag berichtete Oberst v. Puttkammer dem König von der Kapitulation und von den Umständen ihres Zustandekommens Diese Meldung wurde sofort mit einem Boten abgesandt. Der König billigte später alle getroffenen Maßnahmen und sprach dem Oberst sowie den Hauptleuten Keibel und Le Bauld de Nans seine Zufriedenheit und Anerkennung aus.
Der Feind ließ nun einige Erleichterungen zu. Die Wasserzufuhr für die Kuckelsmühle wurde wieder freigegeben, so daß wieder gemahlen werden konnte. Auch etwas Proviant kam in die Stadt und Arzneimittel wurden geliefert, denn es gab immer noch über 400 Kranke.
Am 6. Juli kam der zum Grafen Götzen nach Glatz gesandte Offizier zurück, mit ihm der im April zum König gesandte Leutnant v. Neumann mit einem Schreiben an den verstorbenen Oberst v. Neumann. Er lobte darin den Oberst für die Verteidigung Cosels und ernannte ihn zum Generalmajor. Den Bürgern versprach er Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer Häuser.
Die Belagerung Cosels 1807 (Gemälde von W. v. Kobell)
Man erfuhr nun auch von dem am 28. Juni in Tilsit abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen Preußen und Frankreich. In den Bestimmungen dieses Waffenstillstandes hieß es, daß während der Dauer hinsichtlich der schlesischen Festungen alles so bleiben sollte, wie es am 25. Juni gewesen sei. Oberst v. Puttkammer ließ das den Belagerern mitteilen, die aber damit nicht einverstanden waren und die Übergabe unbedingt am 16. Juli haben wollten. Sie stellten die Arzneimittellieferungen ein und umschlossen die Festung noch enger.
In den nächsten Tagen kam es zu heftigen Diskussionen zwischen Graf Götzen und Prinz Jerome über den genauen Zeitpunkt der Kapitulation, der mit der Drohung der Wiederaufnahme der Belagerung vorläufig endete.
Oberst v. Puttkammer lag inzwischen mit Nervenfieber im Bett. Major v. Brünnow rief am 11. Juni einen Kriegsrat ein, der einen Beschluß über die endgültige Übergabe fassen sollte. Puttkammer schrieb dann vom Krankenbett aus den Befehl über die Übergabe, wenn bis zum 14. Juli mittags keine weiteren Befehle oder Verfügungen eintreffen sollten.
Seit der Ratifikation der Kapitulation am 18. Juni waren weitere 238 Mann gestorben und im Ganzen waren nur noch 1.100 Mann dienstfähig. Mit diesen wenigen Kräften konnte ein Sturm der Belagerer nicht abgeschlagen werden. Wegen fehlender Lebensmittel war auch kein weiterer Widerstand mehr möglich.
Zum Glück für die Besatzung und die Bevölkerung der Festung Cosel kam es nicht mehr zur Übergabe. Am 14. Juli früh 7 Uhr traf am Wiegschützer Tor der bayerische Leutnant v. Böseneck ein und überbrachte die mit Jubel aufgenommne Nachricht, daß in Tilsit ein Frieden geschlossen sei. Cosel blieb damit frei vom Feind. Kein Soldat der Belagerungs- und Blockadetruppen ist als Feind hineingekommen.
Die vorgesehene Kapitulation wurde durch Immediatkommission zur Untersuchung der Kapitulationen und sonstigen Ereignisse im Juli 1808 als ehrenvoll anerkannt wegen der vorangegangenen rühmlichen Verteidigung und der Unmöglichkeit eines längeren Widerstandes.
Cosel war vom 23.1. bis 13.3. 48 Tage lang belagert gewesen und während dieser Zeit 11 Tage und Nächte, insgesamt 102 Stunden lang, bombardiert und beschossen worden. Vom 4. April bis 18. Juni, 75 Tage lang, wurde sie blockiert und ausgehungert.
Gerade der Widerstand der Schlesier – auch der Bewohner und der Garnison Cosels - hatte dem preußischen Staat diese Provinz erhalten, die zu einer wesentlichen Keimzelle des erfolgreichen Befreiungskampfes von 1813 wurde.